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Ringvorlesung: Die Caritas in der Verantwortung für hilfsbedürftige Menschen

Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister zum Vortrag von Domkapitular Clemens Bieber

 

„Verantwortung setzt ein Gegenüber voraus, das bedeutet, dass ich jemandem gegenüber mit meinem Tun und Handeln und für mein Tun und Handeln verantwortlich bin. Meine Verantwortung als Christ ergibt sich aus meinem Welt- und Menschenbild, im Grunde aus meinem Gottesbild. Durch Gott, dem ich mein Leben und meine Begabungen verdanke, bin ich mit den Menschen verbunden. Durch die Botschaft Jesu und seine Sendung werden sie für mich zu Schwestern und Brüdern, die füreinander Verantwortung haben.“ Mit diesen Worten leitete Domkapitular Clemens Bieber seinen Vortrag ein.

 

Im Weiteren stellte er verschiedene Beispiele aus der Bibel vor, in denen Menschen Verantwortung für andere übernommen haben. Mit am bekanntesten ist die Geschichte um den barmherzigen Samariter, aber es finden sich auch viele Heilungsberichte in den Evangelien, die stets vom beherzten Anpacken für Hilfsbedürftige gekennzeichnet sind.

 

Historisch belegt sind auch Beispiele aus dem Mittelalter und der Neuzeit: Elisabeth von Thüringen (1207 bis 1231), Vinzenz von Paul (1581 bis 1660), Adolf Kolping (1813-1865) und Agnes Neuhaus (1854-1944) sind nur einige Namen, die – dem karitativen Gedanken folgend – Bedürftigen halfen und für die Gründung von auch heute noch aktiven Organisationen und Einrichtungen stehen. Der älteste Caritasverein in Unterfranken ist übrigens die sogenannte „Suppenschule“ in Aschaffenburg, die 1837 als Kinderbewahranstalt von vornehmen Damen der Stadtgesellschaft gegründet wurde, um Kindern, deren Eltern arbeiten mussten, den Tag über einen sicheren Ort zu geben.

 

Leitmotiv der Caritas

 

Das Leitwort „Nah am Nächsten“ weist auf die Verortung der caritativen Dienste im Lebensraum der Menschen hin, wo sehr konkret das zweite Leitwort in die Tat umgesetzt wird: „Not sehen und handeln!“ Caritas ist kein zentralistisch geführter Sozialkonzern, sondern die Summe vieler sozial caritativer Einrichtungen, Dienste und Angebote, die vor Ort im Lebensraum der Menschen verantwortet werden. Die konsequente subsidiäre Struktur kennzeichnet die Caritas z. B. in ganz Unterfranken. Die qualifizierten, beruflichen Dienste werden wirkungsvoll durch Ehrenamtliche ergänzt und verstärkt. Damit wird das bürgerschaftliche Engagement gefördert und das Bewusstsein der Solidarität und mitmenschlichen Verantwortung geprägt.

 

„Wir tun nicht nur das, was zu mindestens hundert Prozent refinanziert wird, wir engagieren uns auch in Bereichen, in denen wir nicht nur nichts verdienen, sondern auch Geld mitbringen wie z. B. in der Armenfürsorge, beim Lebensschutz oder in der Migrationsarbeit. Bei uns steht die Frage im Vordergrund „Wie kann ich dir helfen?“ und nicht „Was kann ich an dir verdienen?“, betont Clemens Bieber.

 

Beispiele, für wen die Caritas aktiv ist:

  • Kinder – beispielsweise in Kindergärten, die Bieber als Zukunftswerkstätten bezeichnet
  • Dienst an allen Menschen – unabhängig von Ethnie, Hauptfarbe, Orientierung oder Religion
  • Senioren – alte, gebrechliche und pflegebedürftigen Menschen, beispielsweise in mobilen Pflegediensten und Pflegeheimen
  • Menschen, die mit dem Tempo der Zeit nicht mithalten können – z. B. Beratungs- und Betreuungsangebote für (Sucht)Kranke, aus der Haft Entlassene, Behinderte, Obdachlose u.v.m.

Caritas in Deutschland

 

Circa 720.000 beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und eine ungefähr gleich groß Zahl Ehrenamtliche engagieren sich in den fast 25.000 Caritas Einrichtungen in Deutschland. Einnahmen der Caritas sind unter anderem geregelte Pflegesätze und Leistungsentgelte, öffentliche Zuschüsse, Kirchensteuern, Beiträge, Umlagen und Spenden aus der Bevölkerung. Die finanzielle Situation ist jedoch angespannt, gerade weil die Caritas Einrichtungen auch dort helfen, wo keine volle Kostendeckung durch den Staat garantiert ist.

 

Die Caritas verfügt über eine schlanke Struktur: 75 Prozent der Mitarbeitenden stehen im unmittelbaren sozialen Dienst, also im direkten persönlichen Kontakt mit Menschen, 16 Prozent sind im hauswirtschaftlichen und technischen Bereich der Einrichtungen tätig, nur acht Prozent im Bereich der Verwaltung.

Ein paar Beispiele aus Unterfranken

 

Mehr als 17.000 beruflich Mitarbeitende und etwa ebenso viele Ehrenamtliche haben im Jahr 2020 mehr als 280.000 Menschen in Unterfranken unterstützt.

  • Im Kinder- und Jugenddorf St. Anton in Riedenberg in der Rhön leben 120 junge Menschen.
  • 506 örtlich eigenständige Kitas werden fachlich und organisatorisch begleitet. Dazu kommen 25 Dienste der ambulanten Jugendhilfe.
  • In zehn Einrichtungen der stationären Jugendhilfe werden ca. 700 junge Menschen betreut.
  • Für Familien gibt es unter dem Dach der Caritas in Unterfranken einen Familienpflegedienst, zwei Frauenhäuser, Beratungsstellen für Schwangere, sechs Familienzentren, die von etwa 5.500 Betreuten genutzt werden, ebenso etwa 400, die die Beratung für frühe Hilfen nutzen.
  • Ein breit gefächertes Angebot richtet sich an Menschen mit Behinderungen. Fast 10.000 Menschen und ihren Angehörigen kommen diese Angebote zu Hilfe.
  • Eine psychotherapeutische Fachambulanz für Sexualstraftäter und Gewaltstraftäter, die nach ihrer Haftverbüßung auf richterliche Anordnung von unseren hochqualifizierten Beraterinnen und Beratern begleitet werden.
  • Allgemeine Soziale Beratungsdienst mit mehr als 11.000 Klienten, Suchtberatung, Schuldnerberatung, Beratung für Strafentlassene, Kleiderkammern, Telefonseelsorge, Krisendienst, Betreuungsvereine.
  • Obdachlose können im Simonshof (Bastheim) überwintern, eine Krankheit auskurieren, eine gerichtlich angeordnete Resozialisierungsmaßnahme durchlaufen oder ihren Lebensabend dort verbringen.
  • Dazu kommen viele weitere Angebote, beispielsweise für HIV-Infizierte, MigrantInnen etc.

Angebote für Mitarbeitende der Caritas

 

Die Caritas sorgt nicht nur für Bedürftige, sondern übernimmt auch Verantwortung für ihre Mitarbeitenden. So zahlt sie ihren Mitarbeitenden Lohn gemäß AVR-Gehaltstabelle und damit in der Regel mehr als beispielsweise andere Pflegedienste. Neben Fachakademien und Fachschulen zur Ausbildung von SozialpädagogInnen, HeilerziehungspflegerInnen, Alten- und KrankenpflegerInnen bietet die Caritas auch in der „Akademie Barbara Stamm“ Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung und Qualifizierungsangebote für Ehrenamtliche.

 

Schlussworte

 

„Caritas ist das den Menschen zugewandte Gesicht der Kirche“, zitiert Clemens Bieber den weithin bekannten Wiener Pastoraltheologen, Pastoralsoziologen und Pastoralpsychologen Paul Zulehner, der im Juni 2023 am „Tag der Herzlichkeit“ im Caritashaus in Würzburg einen Vortrag hielt. Bieber endet seinen eigenen Vortrag mit den Worten: „In der Verantwortung vor Gott und den Menschen setzen wir uns ein für ein menschenwürdiges Leben für möglichst alle Menschen.“