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Digitalisierung als Baustein der Nachhaltigkeit

Teil 6 der Ringvorlesung Nachhaltigkeit: Digitalisierung und Nachhaltigkeit

(Inger Paus, Vodafone Institut und Alexander Rabe, eco e.V.)

 

Ein Beitrag von Meike Schumacher

 

Europa soll bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren und damit ein klimaneutraler Kontinent werden. So sieht es der „European Green Deal“ vor, der von der Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 vorgestellt wurde. Die Digitalisierung findet darin keine explizite Erwähnung. In einer Mitteilung der Kommission zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas wird indes explizit das Ziel ausgerufen, dass Digitale Infrastrukturen in Europa bereits bis 2030 klimaneutral betrieben werden sollen.

 

Spielt sie dennoch eine Rolle? Auf jeden Fall! Wie und wo erläutert Inger Paus, Geschäftsführerin vom Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation. 

 

Klimawandel und Digitaler Wandel gehen Hand in Hand

Der Green Deal benennt eine ganze Reihe von Aktionsbausteinen, wie etwa Nachhaltige Energiesysteme, Landwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie oder Mobilität. Betrachtet man die Handlungsfelder genauer, fällt schnell auf, dass die Digitalisierung bei der Zielerreichung eine entscheidende Rolle spielt. So wird beispielsweise eine nachhaltige Verkehrs- oder Transportsteuerung ohne die Sammlung von Daten und den Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz kaum zu bewältigen sein.

 

Der Europäische Think Tank „European Policy Center“ schlägt für eine gewinnbringende Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung drei Handlungsfelder vor:

  • Aufbau eines gemeinsamen Europäischen Datenraums, um relevante Daten sammeln, auswerten und austauschen zu können,
  • die Entwicklung neuer, nachhaltiger Geschäftsmodelle und schließlich
  • die IKT-Infrastruktur selbst immer ressourcenschonender und effizienter weiterzuentwickeln.

Der IKT-Infrastruktur kommt auch laut einer Studie von Ericsson vom Februar 2020 eine Schlüsselrolle zu: Demnach ist der IKT-Sektor selbst für nur ca. 1,4 % der CO2-Emissionen verantwortlich, ihr wird jedoch ein Hebelfaktor von 15 % zugesprochen. Dies bedeutet, dass mit Hilfe der IKT-Infrastruktur 15 % der CO2-Emissionen eingespart werden könnten.

 

Klimaschutz und die Akzeptanz der Bevölkerung

 

Jedes Konzept ist nur so gut wie seine Umsetzung und die hängt in Sachen Klimaschutz am Mitwirken jedes Einzelnen. Eine Befragung, die in 13 EU Staaten durchgeführt und im Oktober dieses Jahres veröffentlicht wurde, ermittelte, wie die Europäer zur Rolle der Digitalisierung im Klimawandel stehen, welchen Beitrag sie bereit wäre zu leisten und was sie von ihren jeweiligen Regierungen erwarten.

 

So glaubt knapp über die Hälfte der Befragten, dass der Digitalisierung eine Schlüsselrolle in der Lösung der Probleme bezüglich des Klimawandels zukommt. Rund zwei Drittel der Befragten wären bereit, für Smart City Anwendungen ihre Daten zu teilen. Die Akzeptanz Digitaler Technologien unterscheidet sich jedoch innerhalb Europas. Die höchste Akzeptanz weisen die Länder Portugal, Italien und Ungarn mit über 60 % auf. Besonders kritisch sehen hingegen Franzosen die Digitalisierung.

 

Bei der Frage danach, ob die EU eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen soll, scheiden sich die Geister. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten stimmt dem zu. Größtenteils einig ist man sich jedoch darin, dass eine solche Pionierrolle auf strikten Regeln unter Beachtung der Kosten für die Wirtschaft und Bürger basieren muss.

 

Liegt die Verantwortung für den Klimaschutz also bei den Regierungen der Länder? Laut 65 % der Befragten liegt die Verantwortung hierfür bei jedem einzelnen Individuum – Institutionen wie die EU, nationale Regierungen oder Unternehmen sind in Ihren Klimaschutzbemühungen nach Ansicht der Befragten eher zu zögerlich. Eine große Mehrheit der EU-Bürger gab an, sich der Notwendigkeit von Umweltschutz im täglichen Leben bewusst zu sein.

 

Rechenzentren im Fokus

 

Völlig unabhängig von der Frage, ob die Digitalisierung Fluch oder Segen für den Klimaschutz bedeutet, nimmt die Digitalisierung unaufhaltsam zu. Und damit geraten insbesondere Rechenzentren in den Fokus der Klimaschützer. Nimmt der Energiebedarf in den Rechenzentren in gleichem Maße zu wie der Datenverkehr? Glücklicherweise nicht, wie Alexander Rabe als Vertreter der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen zu berichten weiß.

 

In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Workloads in den Rechenzentren um den Faktor 10 vervielfacht, der Energiebedarf in den Rechenzentren pro Workload ist jedoch im gleichen Zeitraum um den Faktor 10 gesunken.

 

Cloud-basierte Lösungen ermöglichen einen zusätzlichen Effizienzschub von bis zu 80% im Vergleich zu traditionell betriebenen Servern in der Unternehmenslandschaft. Eine deutliche Effizienzsteigerung konnte auch bei der Rechenzentrumsinfrastruktur für Klimatisierung, Stromversorgung, Brandschutz, etc. erreicht werden. Gerade in Deutschland existiert, aufgrund des vergleichsweise hohen Strompreises, eine intrinsische Motivation, den Energiebedarf möglichst klein zu halten.

 

Vergleicht man die CO2-Emissionen der Rechenzentren in Europa liegt Deutschland dagegen im oberen Mittelfeld. Dies hat den einfachen Grund, dass die Betreiber der Rechenzentren Abnehmer des Strommixes des eigenen Landes sind. In Deutschland lag beispielsweise 2019 der Anteil an Erneuerbaren Energien im Strommix bei lediglich 46 %. Der Rest setzte sich aus Energieträgern, wie Kernenergie oder Braunkohle zusammen. Deutschland plant im Rahmen der Energiewende erst für das Jahr 2038 den kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträgern.

 

Technologische Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz

 

In Sachen Energieeffizienz ist das Potenzial für Betreiber digitaler Infrastrukturen noch längst nicht ausgeschöpft. In der von Alexander Rabe vorgestellten Studie wurden bereits 70 aussichtsreiche Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz in Rechenzentren in den Bereichen Kühlung und Klimatisierung, Architektur, Management und Software, IKT-Hardware und Stromversorgung identifiziert.

 

Eine signifikante Energieeinsparung kann beispielsweise durch effiziente Algorithmen und optimierte Programmierung von Software (bis zu 30 %) erreicht werden, weshalb die Forderung formuliert wird, diesen Aspekt in die Lehrpläne der Hochschulen aufzunehmen. Um die Nachhaltigkeit der Rechenzentren weiter zu fördern, appelliert Herr Rabe – im Namen der Allianz – dafür, dass

  • die Zusammenarbeit von Politik und der Branche intensiviert wird
  • die Forschung weiter gefördert wird
  • öffentliche Beschaffung als Steuerungsinstrument genutzt wird
  • europäische Ansätze verfolgt werden (Green Deal, GAIA-X)
  • die Energiewende – vor allem in Deutschland - schneller vorangetrieben und damit der Energiemix verbessert wird
  • die Abwärmenutzung gefördert wird

Denn: Ohne effiziente und gut ausgebaute Rechenzentren ist eine nachhaltige Digitalisierung nicht möglich!

 

Präsentation zum Download

 

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