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Führen mit Menschlichkeit und Vertrauen

Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister

 

Mitarbeitende werden immer anspruchsvoller. Die eher jüngeren wollen ihre Freiheiten und idealerweise auch ein bisschen Spaß bei der Arbeit, die lang gedienten tun sich mit „agiler Führung“, die auf Selbstverantwortung und -organisation aufbaut, eher schwer. Wobei es nicht immer nur ein Generationenthema ist. Es kommt auf das Mind Set an. Und das wiederum wird stark von der Unternehmens- und Führungskultur geprägt.

 

In der Agilen Community Bayerischer Untermain stellte Eva Braun von Heraeus Infosystems am 24. November ihre Herausforderungen und Ansätze vor, wie sie auch in Corona-Zeiten ihre Teams zusammenhält und mit Menschlichkeit und Vertrauen führt.

 

Einordnung von Unternehmens- und Führungskultur

Organisationen unterscheiden sich in der Unternehmens- und Führungskultur.  So gibt es

 

  • Impulsive Organisationen mit sehr harter Führung.
  • Konformistische Organisationen gekennzeichnet von stabilen Prozessen und festen Organigrammen.
  • Leistungsorientierte Organisationen, bei denen sich die Manager als Servant Leaders sehen, gleichzeitig aber noch sehr viel Wert auf die Hierarchie legen.
  • Postmoderne Organisationen, bei denen die Verantwortung in den Händen der Mitarbeiter liegt und sich die Führungskräfte mehr als Mentoren denn als Vorgesetzte sehen.
  • Evolutionäre Organisatoren, die komplett ohne Führung, Hierarchie, Budgetplanung etc. agieren.
Darstellung von Rod Collins, Optimity Advisors
Darstellung von Rod Collins, Optimity Advisors

Fühlen sich alle in der Struktur wohl, sowohl Führungspersonen als auch Mitarbeitende, ist alles in Butter. Doch Organisationen verändern sich, wollen mit dem Change den Herausforderungen von Digitalisierung, Globalisierung und Internationalisierung begegnen, sich im Wettbewerb behaupten oder gar eine Führungsrolle einnehmen. Dazu wollen und müssen sie neue, junge Mitarbeitende anwerben. Die Generation Y und Z lehnt jedoch eine Führung im Stile von Command & Control zunehmend ab.  Da gilt es, alle Mitarbeitenden „mitzunehmen“, „ins Boot zu holen“ – sprich neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren und zu etablieren.

 

Viele Unternehmen befinden sich im Stadium der leistungsorientierten Organisation und möchten sich mit einem agilen Mindset und agilen Methoden zur postmodernen Organisation weiterentwickeln. Bei Heraeus Infosystems findet bereits seit einigen Jahren ein Wandel zur Agilen Organisation statt und digitale Collaboration ist in den Projektteams etabliert. Klar wurde im Vortrag von Eva Braun von Heraeus Infosystems und der anschließenden Diskussion – dafür gibt es keine Patentrezepte.

 

Geht die Nähe durch Homeoffice bzw. verteilte Arbeitsorte verloren?

Eva Braun führt vier international verteilte, remote arbeitende Teams auf unterschiedlichen Kontinenten. Mitarbeitende im Homeoffice oder am Ende der Welt trifft man nicht einfach in der Kaffeeküche. Doch gerade der persönliche Kontakt, das Wissen über den anderen, das Hineinversetzen in seine Situation bindet Menschen an ihr Team, lässt sie mit dem Projekt, dem Unternehmen eine emotionale Bindung, sprich Identifikation, eingehen. „Auch wenn es unter Corona-Bedingungen zunächst nach einer Gefahr der Entfremdung aussah, dass man sich nicht mehr persönlich im Büro treffen konnte, der Einblick in die Lebensweise der Kolleg/innen via Videokonferenz schaffte vielfach Verständnis für die Bedürfnisse der anderen und eine neue Nähe. Arbeiten am Küchentisch, gleichzeitig Kinder im Homeschooling betreuen und eine etwas dünnere Bandbreite – wer all diese Herausforderungen bewältigt, bekommt von den KollegInnen enormen Respekt gezollt“, erläutert Eva Braun.

 

Ein paar einfache Dinge, die man ausprobieren kann

Eva Braun berichtet, dass sie unterschiedliche Tools und Methoden in ihren Teams etabliert hat, um Nähe und Verständnis zu schaffen.

What´s your story? Unabhängig vom daily business ist es wichtig, eine Vertrauensbasis mit KollegInnen zu finden. Daher wird in Frau Brauns Team täglich im Rahmen den Dailys ein Check-In gemacht, bei dem jeder im Team eine Frage beantwortet, die aus dem beruflichen Kontext herausfällt. Beispielsweise: Was läuft gerade gut in Deinem Leben? Worauf freust Du dich nach dem Lockdown am meisten? Wer ist dein Kindheitsidol? Welchen Obstbaum soll ich pflanzen?

Shit, Shit, Shit! Läuft es im Team nicht ganz rund, kommt das „Shitsandwich of Change“ zum Einsatz: Alle werden dazu angeregt, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen, was noch viel schlimmer laufen könnte. Ein Ansatz, der zeigen soll, dass es ja eigentlich doch ganz gut läuft, wenn auch mit Verbesserungspotenzial.

Ein Feedback vom Vorgesetzten ist oft unerlässlich und Mitarbeitergespräche vertraglich geregelt. Doch mindestens genauso wertvoll ist eine Rückmeldung der TeamkollegInnen. Frau Braun organisiert das in ihrem Team so:

       Einer nach dem anderen sitzt “vor” der Gruppe

       Eine Minute lang denken die Feedback-Geber über den Feedback-Empfänger nach, und halten ihn positiv in ihren Gedanken und ihrem Herzen

       Die Gruppe übergibt dem Feedback-Empfänger zwei Geschenke. Diese sind Antworten auf die beiden Fragen:

       Was schätze ich am meisten in der Zusammenarbeit mit Dir?

       Worin könntest Du dich noch verbessern?

       Eine Person schreibt mit und übergibt das gesammelte Feedback an den
Empfänger, damit er nicht selbst mitschreiben muss

Die Ansätze werden in Frau Brauns Team vorwiegend sehr positiv aufgenommen. Natürlich gibt es auch KollegInnen, die mit einer gewissen Scheu und Skepsis an die Sache herangehen. „Dann versuche ich herauszufinden, was die Ursachen sind und eröffne Lösungswege. Beispielsweise kann ich mich als Vorgesetzte aus dem Team-Feedback herausziehen, wenn ich das Gefühl habe, dass dies dem Mitarbeitenden unangenehm ist, “ sagt Eva Braun.

 

 

Wer Interesse hat, an der Agilen Community Bayerischer Untermain mitzuwirken, kann mir eine E-Mail an katja.leimeister@th-ab.de schreiben.