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Ringvorlesung „Krise und Wandel der regionalen Banken“

Beitrag von Katja Leimeister zum Vortrag von Ralf Magerkurth (Sprecher des Vorstands, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG, Odenwald und Miltenberg) im Rahmen der Ringvorlesung „Krisen und Auswege“ am 5. Dezember 2022

 

Regionale Banken haben in den letzten Jahren einige Krisen durchlaufen. Niedrigzinspolitik und zunehmende Konkurrenz durch Direktbanken und Nichtbanken haben auf die Ertragslage gedrückt. Banken mussten daher ihr Geschäftsmodell überdenken und in Teilen verändern.

 

Wo kommen Erträge im Bankengeschäft her?

 

Man unterscheidet in Zinserträge, Provisionen und sonstige Erträge. Die wichtigste Einnahmequelle für „klassische“ Banken sind die Zinserträge. Wenn Bankkunden ihr Geld bei der Bank zu niedrigen Zinssätzen (z. B. 1 %) anlegen, erhalten sie niedrige Zinserträge. Bei Anlage von 100.000 Euro also 1000 Euro Zinsauszahlung pro Jahr. Wenn Bankkunden Geld zum Beispiel für den Erwerb einer Immobilie aufnehmen, zahlen sie in der Regel höhere Zinsen (z. B. 4 %). Bei 100.000 Kreditsumme also 4000 Euro Zinsen pro Jahr. Der Bank verbleiben in diesem Beispiel 3000 Euro pro Jahr. Das klingt zunächst nach einem guten Geschäft und war es auch lange Zeit für die Banken.

 

Exkurs: Wie setzt sich die Zinsspanne zusammen?

Die Zinsspanne setzt sich aus Zinsspanne des Einlagengeschäft, Zinsspanne des Kreditgeschäfts, und einem Treasury-Beitrag zusammen. Angelehnt an die Zahlen im Diagramm gilt: Zahlt die Bank 1 % für die Einlage, könnte sie diese Einlage am Geldmarkt für 2 % selbst anlegen (was sie auch tut, wenn die Nachfrage nach Krediten nicht ausreicht). Müsste die Bank das Geld für den Kredit selbst am Geldmarkt aufnehmen (was sie auch tut, wenn nicht genügend Einlagen vorhanden sind), müsste sie 3 % dafür bezahlen und könnte den Kredit für 4 % verkaufen. Nun nimmt die Bank aber gerne die Einlagen eines Kunden, für die sie 1 % Zinsen zahlt, um sie einem anderen Kunden direkt als Kredit für 4 % zur Verfügung zu stellen. Die daraus entstehende Lücke zwischen Kreditaufnahme und Geldeinlage am Geldmarkt ergibt sich aus der Steilheit der Zinskurve (Fristentransformation) und nennt man Treasury-Beitrag; dieser wäre auch ohne Kundengeschäft erzielbar.

Das Modell zeigt die Zinsspanne im Einlagengeschäft, im Kreditgeschäft und den Treasury- Beitrag.
Das Modell zeigt die Zinsspanne im Einlagengeschäft, im Kreditgeschäft und den Treasury- Beitrag.

Da viele Menschen eher kurzfristig anlegen (man könnte das Geld ja mal kurzfristig brauchen!) und gerne langfristig finanzieren (da steht die Sicherheit als Motiv im Vordergrund), sind die Laufzeiten von Anlagen und Krediten recht unterschiedlich. Das reicht von Tageszinskonten für Einlagen bis hin zu 10 Jahre und mehr Laufzeit für Immobilienfinanzierungen. Dabei ist der langfristige Zinssatz in der Regel höher als der kurzfristige. Die Bank trägt dabei immer das Zinsänderungsrisiko, sprich: Steigt der Zinssatz für Einlagen (überraschend) auf über den langfristig vereinbarten Zinssatz im Kreditgeschäft an, gerät die Bank unter Druck. Eine solche Situation könnte in den kommenden Jahren entstehen, denn es sind noch viele Niedrigzinskredite mit langen Laufzeiten im Markt und die Zinsen für Einlagen steigen.

 

Eine weitere nennenswerte Ertragsquelle bei Banken sind Provisionen und Gebühren. Sie werden zum Beispiel für das Führen von Konten, Durchführung von Transaktionen und Bereitstellen von Banksafes etc. verlangt. Auch beim Kauf von Fonds oder beim Abschluss von Versicherungen oder Bausparverträgen fallen Provisionen an. Weitere Ertragsquellen sind Erträge aus eigenen Assets, Immobilien und Kursgewinne aus Auslandsgeschäften.

 

Was löste die Krise der Banken aus?

 

Mit Anbrechen der Niedrigzinspolitik geriet das profitable System aus Bankensicht in Schieflage. Während der Zins für Einlagen sich immer mehr der Nulllinie näherte (Banken trauten sich lange nicht, Negativzinsen zu verlangen, obwohl die Marktlage dies verlangt hätte und auch als sie dies taten, wurde noch keine Marge durchgesetzt, nur der Schaden begrenzt), wurden die Kredite für Immobilien und Co. immer günstiger. Sollzinsen von kaum 1 % wurden verlangt. Bei einer solch kleinen Zinshöhe sinkt die Marge noch deutlicher und das Basisgeschäft der Banken ist gefährdet. Die Haupteinnahmequelle versiegt. Die Zinsmarge, die in den 1980iger Jahren noch bei gut über 2 % lag, sank ab Mitte der 1990iger Jahre kontinuierlich und lag 2021 bei den deutschen Banken und Sparkassen im Durchschnitt bei unter 1 % in der Baufinanzierung. 

Der Euribor Zinssatz – der Zinssatz zu welchem sich europäische Banken gegenseitig Anleihen gewähren – war seit 2015 unter der Nulllinie.
Der Euribor Zinssatz – der Zinssatz zu welchem sich europäische Banken gegenseitig Anleihen gewähren – war seit 2015 unter der Nulllinie.

Der logische Impuls wäre, die Provisionen einfach zu erhöhen, um die Ausfälle aus dem Zinsertrag zu kompensieren. Doch mit größerer Markttransparenz durch Digitalisierung wurde gleichzeitig erreicht, dass Banken ihre Erträge über Provisionen kaum steigern konnten. Zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden abwandern und zum Mitbewerber wechseln. Wobei auch neue Wettbewerber in den Markt eintraten.

 

Neue Wettbewerber

 

Seit Mitte der 1990iger Jahre kamen vermehrt Direktbanken wie die ING DiBa auf den Markt. Ihr USP: Alle Bankleistungen können (ausschließlich) per Telefon, Fax oder Internet genutzt werden, Filialen gab und gibt es keine. Damit fällt ein großer Kostenblock weg, die Konditionen für die Bankkunden sind entsprechend attraktiv (kostenfreies Giro, höhere Habenzinsen, geringere Sollzinsen etc.)

Daneben nahmen Anfang der 2000er Jahre Broker ihre Arbeit auf, die Baufinanzierungen auf Marktplätzen handeln (die bekanntesten: Europace und interhyp). Auf diesen Marktplätzen bieten heute mehr als 700 Banken im Wettbewerb ihre Baufinanzierungen an. Kreditinteressierte können somit bundesweit Vergleiche anstellen. Das bedeutet die totale Markttransparenz, die Banken in einen deutlich stärkeren Wettbewerb drängen. Inzwischen werden fast 50 % aller Baufinanzierungen über diese Plattformen getätigt. 

Mit cleveren Embedded Finance Lösungen werden Kunden vermehrt auf Onlinemarktplätzen Finanzierungen angeboten. Ein junger Anbieter in diesem Segment ist das deutsche Fintech-Unternehmen Banxware. Bei den über diesen Weg getätigte Geschäfte werden die Banken vom Geschäft ausgeschlossen.

Auch im Zahlungsverkehr sind Anfang des Jahrtausends neben den Banken neue Player in den Markt eingetreten. PayPal und Klarna sind mit ihren Integrationen in Handelsplattformen zur echten Alternative zu Lastschrift und Kauf auf Rechnung bzw. via Kreditkarte geworden. Insbesondere die Einfachheit überzeugt beim Endkunden. 

Während es für den Endkunden oftmals sehr einfach und bequem ist, diese Dienste zu nutzen, bezahlen die Händler oft beachtliche Gebühren für die Transaktionen. Für die Banken bedeuten diese Wettbewerber Einbußen bei den Provisionen und Druck auf die Zinsmargen.

 

Antworten der Banken  

 

Der Druck auf die regionalen Banken war spätestens seit der Finanzkrise aber auch schon davor enorm. Die Einnahmen aus dem Einlagengeschäft waren deutlich zurückgegangen. So wurde auf der Kreditseite mit mehr Volumen Wachstum erreicht. Auch wenn die Margen gering waren, „die Menge macht´s“. Da Kredite günstig waren, waren die Menschen bereit, in großem Umfang in Immobilien zu investieren.

 

Aber auch auf der Kostenseite wurde durch Fusionen und Schließen von Filialen die Wirtschaftlichkeit von Banken erhöht. Dazu kamen individuelle Strategien einzelner Banken, die mit Fokussierungen und Spezialisierungen Wettbewerbsvorteile generierten. Interessante Ansätze liefern zum Beispiel die Volksbank BRAWO, die die Einlagen ihrer Mitglieder (Kunden) in Immobilien investiert und somit ein Immobilienportfolio von mehr als 1,4 Mrd. Euro hält. Oder die Volksbank Hochtaunus, die alle Filialen geschlossen, das Firmenkundengeschäft eingestellt hat und Einlagen durch attraktive Tagesgeldzinsen einwirbt.

 

Neben der Fusion von Volksbank Odenwald und Raiffeisen Volksbank Miltenberg geht dieses Haus noch andere Wege: Es investiert in die Geschäftsstellen und bietet mit der VR-ROSI eine persönliche Serviceberatung per Video. Dafür hält die Bank in den Filialen eine Kabine vor, um in einem geschützten Raum die Bankgeschäfte zu tätigen. Der Service kann auch von zuhause oder unterwegs genutzt werden. (VR-Rosi - Persönliche Serviceberatung per Video - Raiffeisen-Volksbank Miltenberg (rvbmil.de)

 

Außerdem arbeitet die Bank mit verschiedenen Prop- und FinTechs zusammen, die für die Umsetzung ihrer Geschäftsmodelle eine Bank benötigen. Ratenzahlen über Ratepay laufen über Volksbank Odenwald und Raiffeisen Volksbank Miltenberg. Im Immobiliensektor arbeitet die Bank beispielsweise mit getmomo zusammen, um Bürgschaften und Kautionen zu verwalten. Und für SeniorInnen bietet sie den Teilankauf von Immobilien an, da diese Zielgruppe oftmals vom regulären Kreditvergabeverfahren aufgrund ihres Alters ausgeschlossen werden. 

 

Fazit

Durch Aufgabe der Niedrigzinspolitik durch die EZB wird der Druck auf die Banken in den kommenden Jahren etwas sinken. Erträge aus Einlagengeschäften können wieder realisiert werden. Die Digitalisierung und die damit aufkommenden Wettbewerber durch Direktbanken, PropTechs, FinTechs und Zahlungsdienstleister bleiben jedoch große Herausforderungen für die Banken, die sie mit Digitalisierung und Spezialisierung zu meistern bereit sein müssen.