Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister zum Vortrag von Prof. Dr. Ralph Hirdina, Technische Hochschule Aschaffenburg
Prof. Ralph Hirdina beleuchtete in seinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „New Work“ am 2. Dezember 2024 die Herausforderungen und Chancen, die mit einem verändertes Arbeitsumfeld in bestimmten Berufsfeldern in einer modernen Arbeitswelt für Arbeitgeber und Arbeitnehmende einhergehen. Dabei hob er die Bedeutung eines strategischen Employer Brandings hervor, welches nicht nur die Ansprache potenzieller Mitarbeitenden, sondern den gesamten Lebenszyklus der Beschäftigung bis hin zum Austritt abdeckt, und gab Einblicke in das geltende Arbeitsrecht sowie notwendige Reformen.
Employer Branding und Zielgruppenansprache
Hirdina betonte die Notwendigkeit, die Zielgruppen präzise zu identifizieren und auf den richtigen Plattformen mit passenden Formaten anzusprechen. So könne man etwa Auszubildende besser auf TikTok als auf traditionellen Webseiten erreichen. Es gehe darum, potenzielle Beschäftigte dort abzuholen, wo sie sich aufhalten, und den gesamten Prozess – von der Stellenausschreibung bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis – möglichst individuell zu gestalten, auch wenn Kostengründe für eine Standardisierung sprechen. Arbeitgeber sollten für ein erfolgreiches Employer Branding ihre Marke aktiv aufbauen und pflegen, um nicht nur auf den ersten Blick attraktiv zu wirken. Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmerattraktivität nachhaltig pflegen, seine Erwartungen an die Arbeitsleistung und die angebotenen Arbeitsbedingungen transparent beschreiben, sodass schlechte Bewertungen auf Plattformen wie Kununu vermieden werden, da diese den Ruf langfristig schädigen könnten.
Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen
Ein zentraler Punkt des Vortrags war die Frage, wie Arbeitsverträge und -bedingungen individuell auf die Lebenssituationen von Mitarbeitenden angepasst werden können. Pauschallösungen wie einheitliche Urlaubsregelungen oder standardisierte Arbeitszeiten seien oftmals überholt. Stattdessen sollten Arbeitgeber, ggf. in Kooperation mit Gewerkschaften und Betriebsräten Modelle schaffen, die unterschiedliche Lebensentwürfe nach Möglichkeit berücksichtigen. Besonders wichtig sei es, Generationenklischees wie das stereotype Bild der „arbeitsscheuen Generation Z“ zu hinterfragen und stattdessen individuelle Lösungen zu fördern.
Der Wandel vom Arbeitnehmer- zum Arbeitgebermarkt
Hirdina argumentierte, dass der Arbeitsmarkt zyklisch sei und sich von einem Arbeitnehmermarkt aktuell langsam wieder in einen Arbeitgebermarkt verwandle. Dies sei eine Folge von Entlassungswellen in Branchen wie der Automobilproduktion oder dem Bauwesen, die durch veränderte Rahmenbedingungen des Wirtschaftens (CO2-neutrale Produktion, verschärfter globaler Wettbewerb, Zölle, höheres Zinsniveau) ausgelöst werden. Dennoch gäbe es weiterhin Fachkräftemangel in vielen Bereichen wie etwa dem Gesundheitswesen, der IT-Branche oder dem Handwerk. Arbeitgeber müssten daher flexibel bleiben und kreative Wege finden, um sowohl Engpässe zu bewältigen als auch Überkapazitäten zu managen.
New Work: Chancen und Herausforderungen
Unter dem Schlagwort „New Work“ wurden Themen wie Homeoffice, Arbeitszeitflexibilisierung und individuelle Arbeitsmodelle diskutiert:
· Arbeitszeitgesetz: Hirdina hält eine Reform des veralteten Acht-Stunden-Tages hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit, die mehr Flexibilität ermöglicht, für sinnvoll.
· Arbeitsort: Während in Ländern wie den Niederlanden ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice existiert, ist dies in Deutschland bislang nicht der Fall. Dennoch haben viele Unternehmen bereits hybride Modelle etabliert.
· Zeiterfassung: Mit neuen EuGH- und BAG-Urteilen zur Arbeitszeiterfassung stehen Arbeitgeber vor der Herausforderung, auch im Homeoffice klare Strukturen zu schaffen.
· Vergütungsmodelle: Er sprach sich auch für innovative Ansätze wie Langzeitkonten oder individuell anpassbare Gehaltsstrukturen aus, um auf die Bedürfnisse der Beschäftigten einzugehen.
· Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsrecht: Das Urlaubsrecht sowie das
Entgeltfortzahlungsrecht an Feiertagen und im Krankheitsfall seien reformbedürftig. Deutschland habe viele gesetzliche Feiertage, von denen die Mehrzahl einen religiösen Hintergrund hätten. Eine
zunehmend laizistische bzw. religiös heterogen geprägte Gesellschaft sowie der im internationalen Vergleich hohe Krankenstand in der Arbeitnehmerschaft werfe Reformfragen auf.
Homeoffice und Remote Work
Hirdina erläuterte die Unterschiede zwischen Telearbeit, Homeoffice und mobilem Arbeiten. Diese Modelle brächten nicht nur neue Herausforderungen in Bezug auf die Zeiterfassung mit sich, sondern auch Fragen zu Kostenersatz und Haftung. So sei etwa die Übernahme von Heizkosten im Homeoffice eine Diskussion, die noch keine abschließende gesetzliche Klärung gefunden habe.
Arbeitsrechtliche Anpassungen
Der Referent forderte Reformen im Kündigungsschutz, bei befristeten Arbeitsverträgen und in der Sozialversicherung. Beispielsweise könnte eine gesetzlich festgelegte Abfindung bei Kündigungen langwierige Prozesse vor dem Arbeitsgericht reduzieren. Ebenso sei eine flexiblere Gestaltung von Teilzeitregelungen wünschenswert, insbesondere für kleinere Betriebe. Ebenso sei es hilfreich, wenn vom Gesetzgeber her mehr Klarheit geschaffen würde, wie mit beispielsweise extern hinzugezogenen Crowdworkern umzugehen sei, da hier kein klassisches Beschäftigungsverhältnis vorliege.
Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit
Ein weiterer Aspekt des Vortrags war die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Hirdina warnte vor den hohen Kosten für Sozialstandards und Transformationen, die den Standort belasten könnten. Er plädierte für eine pragmatische Herangehensweise und weniger bürokratische Hürden, um die Arbeitswelt effizienter zu gestalten.
Technologie und KI
Abschließend beleuchtete Hirdina den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Personalarbeit. Er hob hervor, dass KI zwar die Vorauswahl von Bewerber:innen erleichtern und beschleunigen könne, Entscheidungen jedoch weiterhin von Menschen überprüft werden müssten.
Fazit
Prof. Hirdina forderte mehr Flexibilität, Eigenverantwortung und Reformbereitschaft in der Arbeitswelt. Ein starres Festhalten an traditionellen Modellen gefährde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedingungen.