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Ringvorlesung: Die Vier-Tage-Woche in einem Hochtechnologie-Familienunternehmen

Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister zum Vortrag von Dr. Heike Wenzel, Geschäftsführende Gesellschafterin, WENZEL Group 

 

Am 11. November stand das Thema „Vier-Tage-Woche in einem Hochtechnologie-Familienunternehmen“ im Mittelpunkt der Ringvorlesung New Work. Dr. Heike Wenzel, Geschäftsführende Gesellschafterin der WENZEL Group in Wiesthal, erläuterte, welchen Herausforderungen das Unternehmen bei der Einführung der Vier-Tage-Woche gegenüberstand und welche Erfahrungen Geschäftsführung und Belegschaft damit bisher gemacht haben.

Warum die 4-Tage-Woche bei der Wenzel Group?

 

Der Impuls zur Einführung der Vier-Tage-Woche kam während der Corona-Pandemie. Zunächst mussten Mitarbeitende weniger Gefahrenquellen zur Infektion ausgesetzt werden. Im Verlauf der Pandemie veränderte sich für viele Menschen auch die Wahrnehmung von Arbeit und Freizeit. Themen wie Work-Life-Balance und Flexibilität gewannen an Bedeutung. Bei der Wenzel Group mussten, wie in vielen anderen Unternehmen, Arbeitszeiten und -orte flexibel angepasst werden. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sich schließlich die Idee, das Arbeitsmodell langfristig zu modifizieren, um den Mitarbeitenden mehr Flexibilität und Zeit für persönliche Interessen zu bieten – und so die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Das Konzept wurde im November 2021 vorgestellt.

 

Abb.: Konzept mit vielen Wahlmöglichkeiten
Abb.: Konzept mit vielen Wahlmöglichkeiten

 

Die Wenzel Group steht im Wettbewerb mit Großunternehmen in der Region, die häufig mit hohen Gehältern und großzügigen Benefits punkten. „Als mittelständisches Unternehmen im Spessart können wir da nicht immer mithalten,“ erklärte Frau Dr. Wenzel, „aber wir können ein attraktives Arbeitsumfeld bieten, das auf Flexibilität und eine langfristige Bindung der Mitarbeitenden setzt.“ Mit der Einführung der Vier-Tage-Woche setzte Wenzel daher ein starkes Zeichen für Innovation und Mitarbeiterorientierung in der Region und darüber hinaus.

 

Ein Arbeitsmodell muss zur Firma passen

Frau Dr. Wenzel betonte, dass dieses Arbeitszeitmodell nicht für jedes Unternehmen geeignet ist. Die Prozesse bei Wenzel werden von Menschen, nicht von Maschinen getaktet. Daher können die Mitarbeitenden ihre Arbeitszeit effizienter verteilen und neun Stunden an vier Tagen arbeiten, um den fünften Tag freizunehmen. Hierbei war es Wenzel wichtig, dass es sich für beide Seiten, Unternehmen und Mitarbeitende, um eine Win-Win-Situation handelt. „Uns war klar, dass wir nicht an Produktivität verlieren dürfen. Durch die höhere Motivation und die flexibleren Zeiten schaffen die Mitarbeitenden die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit – und das sogar mit weniger Krankheitstagen,“ berichtete Frau Dr. Wenzel.

 

Nicht alle Bereiche konnten jedoch auf die Vier-Tage-Woche umgestellt werden. Die Service-Mitarbeitenden sowie der Vertrieb, die viel Kundenkontakt und flexible Einsatzzeiten haben, arbeiten weiterhin im klassischen Modell. In der Verwaltung und Logistik wurde die Arbeitszeit so organisiert, dass Teams sich bei Bedarf abwechseln, um eine kontinuierliche Versorgung und Auslieferung sicherzustellen.

 

Umsetzung und Herausforderungen

Die Einführung der Vier-Tage-Woche erforderte sorgfältige Planung und Koordination, um die betroffenen Abteilungen effizient zu gestalten und das Modell transparent zu kommunizieren. Die Umstellung erfolgte nicht auf Zwang, sondern durch individuelle Gespräche mit jedem Mitarbeitenden, um die verschiedenen Optionen abzuwägen. Gerade für ältere Generationen war die Vier-Tage-Woche weniger attraktiv, da sie sich oft an die klassischen Strukturen gewöhnt hatten und gerne täglich zur Arbeit kommen. Jüngere Generationen hingegen, die die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit zunehmend flexibel betrachten, empfanden die Umstellung als äußerst vorteilhaft.

 

Zusätzlich stellte die Umsetzung die Personalabteilung vor Herausforderungen, da sie alle rechtlichen und organisatorischen Details prüfen und anpassen musste. So wurde beispielsweise geregelt, dass die Arbeit für 37,5 Wochenstunden bezahlt wird, obwohl die Mitarbeitenden effektiv nur 36 Stunden arbeiten. „Die anderthalb Stunden, die wir den Mitarbeitenden schenken, werden von der Motivation und Effektivität, die das neue Modell mit sich bringt, mehr als ausgeglichen,“ erklärte Frau Dr. Wenzel.

 

Ein weiterer Vorteil: Die Reduzierung der Arbeitswoche auf vier Tage ermöglichte es, nicht nur Energiekosten zu sparen, sondern auch das Pendelaufkommen zu reduzieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Homeoffice mit dem Arbeitszeitmodell kombinieren und so Energiekosten und Fahrtzeiten sparen.

 

Generationenmanagement – Eine besondere Herausforderung

Ein entscheidender Bestandteil des Konzepts war das sogenannte Generationenmanagement. Die Arbeitswelt ist heute stärker denn je von verschiedenen Generationen geprägt, die unterschiedliche Werte und Vorstellungen von Arbeit haben. So gilt es für Unternehmen, die Auswirkungen des demographischen Wandels zu betrachten und entsprechende Maßnahmen einzuleiten:

 

·       Auf organisatorischer Ebene: Die Anpassung an sich verändernde Markt- und Umweltbedingungen, ausgelöst durch den demografischen Wandel.

·       Auf sozialer Ebene: Die Förderung sozialer Beziehungen innerhalb heterogener werdender und alternder Belegschaften.

·       Auf personeller Ebene: Die Förderung der Lernbereitschaft und Lernfähigkeit Einzelner, um einen altersgruppenübergreifenden Wissens- und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

 

 

Frau Dr. Wenzel ging in ihrem Vortrag ausführlich auf die vier Generationen ein, die derzeit in ihrem Unternehmen arbeiten. Diese reichen von den Babyboomern, die nach dem Motto „Leben, um zu arbeiten“ geprägt wurden, bis hin zur Generation Z, die Sinn und Flexibilität über finanzielle Anreize stellt und verstärkt nach Work-Life-Balance strebt. „Jede Generation bringt eigene Herausforderungen und Potenziale mit sich,“ erläuterte Frau Dr. Wenzel.

 

Abb.: Erwartungen der verschiedenen Generationen an den Arbeitgeber
Abb.: Erwartungen der verschiedenen Generationen an den Arbeitgeber

 

Um die Zusammenarbeit der Generationen harmonisch zu gestalten, setzt die Wenzel Group auf eine starke Unternehmenskultur, die auf Vertrauen und Langfristigkeit basiert. Werte wie Integrität, Nachhaltigkeit, Innovation und Flexibilität sind in der Firmenphilosophie fest verankert und werden aktiv gelebt. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden sich mit diesen Werten identifizieren können,“ betonte Frau Dr. Wenzel. So bietet Wenzel allen Generationen die Möglichkeit, ihren individuellen Arbeitsstil und ihre Bedürfnisse einzubringen, um Konflikte zu vermeiden und eine produktive Zusammenarbeit zu fördern.

 

Positive Resonanz und Erfolge des Modells

Seit der Einführung der Vier-Tage-Woche hat sich die Zahl der Bewerbungen bei der Wenzel Group verdreifacht. Die Motivation der Mitarbeitenden ist auch nach fast drei Jahren stabil hoch, und die allgemeine Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance wird positiv wahrgenommen. Frau Dr. Wenzel berichtete, dass viele Mitarbeitende den freien Tag auf unterschiedliche Weise nutzen – einige widmen sich Hobbys, andere engagieren sich ehrenamtlich, und manche nutzen die Zeit für zusätzliche berufliche oder private Projekte. „Einige Mitarbeitende gehen zum Beispiel in die Landwirtschaft oder verfolgen andere persönliche Projekte. Der zusätzliche Tag schafft mehr Raum für diese Aktivitäten und trägt zur allgemeinen Zufriedenheit bei,“ so Wenzel.

 

Die produktivitätsbezogenen Befürchtungen, die mit der Einführung der Vier-Tage-Woche einhergingen, haben sich ebenfalls nicht bestätigt. „Wir haben unsere Produktivität gemessen, und das Ergebnis zeigt, dass wir durch die 4-Tage-Woche nicht an Effizienz verloren haben – die Mitarbeitenden schaffen ihre Arbeit in kürzerer Zeit und bleiben motiviert.“ Auch die Anzahl der Krankheitsausfälle, bei Wenzel als Gesundheitsquote bezeichnet, ist seit Einführung des Modells zurückgegangen.

 

Herausforderungen für die Zukunft

Frau Dr. Wenzel betonte, dass die Vier-Tage-Woche kein universelles Modell für alle Unternehmen ist. Gerade in Unternehmen, die auf fixe Maschinenlaufzeiten angewiesen sind, könnte die Umsetzung schwierig werden. In ihrem Unternehmen aber, wo die Mitarbeitenden durch ihre Motivation und Flexibilität die Produktionsabläufe stark beeinflussen können, hat sich das Modell bewährt. Ein internationales Rollout ist daher nur bedingt möglich: Die Rahmenbedingungen und kulturellen Unterschiede in anderen Ländern würden eine Umsetzung erschweren.

 

„Einige Branchen oder Tätigkeitsfelder sind schlichtweg nicht dafür geeignet, eine 4-Tage-Woche einzuführen,“ erklärte Wenzel. „Es ist wichtig, dass Unternehmen ein Arbeitsmodell finden, das zur individuellen Kultur und Struktur passt.“ Doch gerade im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und in einer Zeit des demografischen Wandels sieht sie in flexiblen Arbeitsmodellen wie der Vier-Tage-Woche eine wertvolle Möglichkeit, die Bindung von Mitarbeitenden zu stärken und als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

 

Fazit: Ein Zukunftsmodell mit Potenzial

Der Vortrag von Frau Dr. Wenzel bot faszinierende Einblicke in die Auswirkungen und Herausforderungen der Vier-Tage-Woche im industriellen Umfeld. Mit ihrem flexiblen Modell der Arbeitszeitverkürzung konnte die Wenzel Group sowohl die Zufriedenheit der Mitarbeitenden als auch die Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Für viele Anwesende wurde an diesem Abend deutlich, dass die Zukunft der Arbeit in flexiblen, individuell anpassbaren Modellen liegt, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden Rechnung tragen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichern.

 

 

Frau Dr. Wenzel schloss ihren Vortrag mit einer Einladung an die Zuhörerschaft, die neuen Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung offen anzugehen und gemeinsam neue Wege zu finden. Dabei betonte sie, dass es oft Mut und Offenheit braucht, ein neues Modell auszuprobieren und den Wandel zu gestalten. „Die Vier-Tage-Woche ist kein Allheilmittel, aber für unser Unternehmen war sie ein großer Schritt nach vorn. Manchmal lohnt es sich, die Dinge anders zu denken,“ fasste sie abschließend zusammen.

 

Über die Wenzel Group

Die Wenzel Group in Wiesthal mit rund 600 Mitarbeitenden ist einer der führenden Anbieter für die industrielle Messtechnik und den Bereich Styling Solutions. Die Produkte finden Anwendungen in unterschiedlichen Branchen wie Automobil- und Zulieferindustrie, Medizintechnik, Energietechnik, Elektrotechnik, Maschinenbau und viele mehr.

Unter https://www.wenzel-group.com/unternehmen/uber-wenzel finden Sie auch einen Imagefilm über die Wenzel Group.