Ein Blogbeitrag von Meike Schumacher zum Vortrag von Dr. Katrin Mohr, Politische Sekretärin Ressort Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik, IG Metall Vorstand
Die Industrie befindet sich in einer tiefgreifenden Phase des Wandels, angetrieben von verschiedenen Faktoren wie Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und demografischen Veränderungen. Diese Veränderungen betreffen insbesondere Branchen, die von der IG Metall vertreten werden, darunter die Metall- und Elektroindustrie, zu der die Automobilindustrie gehört, und die Stahlproduktion. In ihrem Ringvorlesungsbeitrag erläuterte Dr. Katrin Mohr, wie sich diese Entwicklungen auf die Arbeitswelt auswirken, welche Herausforderungen sie mit sich bringen und wie Gewerkschaften wie die IG Metall aktiv an der Gestaltung dieser Transformation mitwirken.
Vier Treiber des Wandels
Die IG Metall sieht sich mit tiefgreifenden Umbrüchen konfrontiert, die nicht nur einzelne Branchen, sondern die gesamte Arbeitswelt betreffen. Vier Treiber prägen dabei die Transformation:
1. Globalisierung: Bereits seit Jahrzehnten prägt die Globalisierung die wirtschaftliche Landschaft, doch durch Digitalisierung und neue Kommunikationsprozesse hat sie eine neue Intensität erreicht. Die internationalen Handelsbeziehungen und Lieferketten wurden komplexer, was Herausforderungen für die Produktion und Arbeitsplätze mit sich bringt. Der zunehmende Wettbewerb, insbesondere durch neue Akteure wie China, stellt Unternehmen vor die Frage, wie sie sich zukünftig positionieren.
2. Klimakrise: Der Klimawandel ist ein dominierender Treiber der Veränderung. Die Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, zwingt Industrien dazu, ihre Produktionsprozesse umzustellen. Diese Umstellung erfordert erhebliche Investitionen und eine strategische Neuausrichtung. Die IG Metall setzt sich dafür ein, dass dieser Wandel sozial verträglich gestaltet wird, um Arbeitsplätze zu sichern und neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.
3. Digitalisierung: Die technologische Entwicklung verändert nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern auch Arbeitsprozesse. Von der Fertigung bis zur Verwaltung werden zunehmend digitale Tools eingesetzt, die neue Qualifikationen erfordern. Die IG Metall arbeitet daran, die Beschäftigten auf diese neuen Anforderungen vorzubereiten und Qualifizierung zu fördern.
4. Demografischer Wandel und gesellschaftliche Vielfalt: Die Alterung der Gesellschaft und die Diversifizierung von Erwerbsbiografien stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Der anstehende Renteneintritt der Babyboomer-Generation wird Lücken in der Fachkräfteversorgung hinterlassen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, sowohl die Ausbildung als auch die Weiterbildung zu stärken.
Komplexe Herausforderungen – Dringender Handlungsbedarf
Die Vielzahl der Veränderungsprozesse stellt Unternehmen, Beschäftigte und Gewerkschaften gleichermaßen vor große Herausforderungen. Eine der zentralen Erkenntnisse aus einer internen Befragung der IG Metall ist, dass viele Betriebe auf diese Veränderungen nicht ausreichend vorbereitet sind. Zwar gab ein Drittel der Betriebsräte an, dass ihre Betriebe von der Transformation betroffen sind, jedoch berichteten nur 50 % von einer klaren Strategie zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Diese Strategielosigkeit birgt das Risiko, dass Unternehmen nicht rechtzeitig auf die Veränderungen reagieren können – mit potenziell gravierenden Folgen für die Beschäftigung.
Qualifizierung als Schlüssel zur Transformation
Eine der zentralen Handlungsfelder der IG Metall ist die Qualifizierung der Beschäftigten. Der Übergang zu neuen Technologien und Produktionsweisen erfordert neue Kompetenzen. Besonders in Branchen wie der Automobilindustrie, die sich zunehmend auf Elektromobilität ausrichtet, sind Weiterbildungsmaßnahmen unerlässlich. Ein Beispiel: Während der Bau eines Verbrennungsmotors zahlreiche einzelne Arbeitsschritte erfordert, ist ein Elektromotor weniger komplex, wodurch weniger Arbeitsplätze benötigt werden. Gleichzeitig entstehen neue Anforderungen, etwa im Bereich der Batterietechnologie. Hier setzt die IG Metall an, um sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen zu unterstützen.
Allerdings zeigen Untersuchungen, dass viele betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen unzureichend sind. Zeitmangel, fehlende strategische Planung und Unsicherheiten über zukünftige Geschäftsmodelle hemmen die Weiterbildungsbemühungen. Die IG Metall fordert daher nicht nur eine bessere Unterstützung durch die Arbeitgeber, sondern auch gezielte Fördermaßnahmen seitens der Politik. Das sogenannte Qualifizierungsgeld, das Anfang 2024 eingeführt wurde, ist ein erster Schritt in diese Richtung. Es ermöglicht Unternehmen, in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Belegschaften zu finanzieren.
Tarifpolitik als Gestaltungsinstrument
Die Tarifpolitik bleibt ein Kernbereich der Gewerkschaftsarbeit. Tarifverträge regeln nicht nur Löhne und Arbeitszeiten, sondern beinhalten auch Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung. Die Einführung von sogenannten Zukunftstarifverträgen, die Investitionen und Qualifizierungsmaßnahmen festschreiben, ist ein Beispiel für innovative Ansätze, die die IG Metall gemeinsam mit Arbeitgebern verfolgt.
Die Rolle der Politik
Die sozial-ökologische Transformation kann nicht allein durch Gewerkschaften und Unternehmen bewältigt werden. Die Politik ist gefordert, den Wandel durch Investitionen und klare Rahmenbedingungen zu unterstützen. Die IG Metall fordert unter anderem:
· Eine Investitionsoffensive: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur, die Förderung von grünen Technologien und die Modernisierung von Bildungseinrichtungen sind essenziell, um die Transformation voranzutreiben.
· Reform der Schuldenbremse: Um dringend benötigte Investitionen zu ermöglichen, plädiert die IG Metall für eine Reform der Schuldenbremse.
· Sozial gerechte Steuerpolitik: Eine stärkere Besteuerung von Spitzenverdienern und Kapitaleinkommen soll dazu beitragen, die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren.
· Verlässliche Klimapolitik: Ein Zickzack-Kurs, wie er in der Vergangenheit etwa bei der Förderung von E-Mobilität beobachtet wurde, schadet dem Vertrauen in die Politik. Klare Ziele und eine langfristige Strategie sind notwendig, um die Akzeptanz für die Transformation zu erhöhen.
Ein Blick nach vorn: Chancen der Transformation
Trotz aller Herausforderungen bietet die sozial-ökologische Transformation auch enorme Chancen. Deutschland hat das Potenzial, eine führende Rolle in der Produktion nachhaltiger Technologien einzunehmen. Vom Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bis hin zur Entwicklung klimafreundlicher Mobilität – innovative Produkte können nicht nur zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen, sondern auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen.
Die IG Metall betont, dass die Transformation nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie sozial verträglich gestaltet wird. Dies erfordert nicht nur die aktive Beteiligung der Beschäftigten, sondern auch die Einbindung von Betriebsräten und Gewerkschaften in die Entscheidungsprozesse.
Fazit: Gemeinsam für einen „Fairen Wandel“
Die sozial-ökologische Transformation ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie bietet jedoch auch die Chance, eine zukunftsfähige und gerechte Arbeitswelt zu schaffen. Mit ihrem Credo „Fair Wandel – sozial, ökologisch, demokratisch“ setzt sich die IG Metall dafür ein, dass dieser Wandel nicht auf Kosten der Beschäftigten erfolgt. Dies erfordert Engagement auf allen Ebenen – von der Betriebsarbeit über die Tarifpolitik bis hin zur politischen Einflussnahme.
Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, wie gut es gelingt, die ökologische Transformation mit sozialer Sicherheit zu verbinden. Nur durch Zusammenarbeit und vorausschauende Planung können die Herausforderungen bewältigt und die Chancen genutzt werden. Die IG Metall ist bereit, diesen Prozess aktiv zu begleiten und für die Interessen der Beschäftigten einzustehen.
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