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KI in Produkten - am Bespiel autonomes Fahren

Prof. Dr.-Ing. Konrad Doll (TH-Aschaffenburg)

 

 

Künstliche Intelligenz (oder Artificial Intelligence /AI) ist ein schillernder Begriff der Gegenwart mit dem eine aktuelle technologische Entwicklung und der Mythos der Digitalisierung gleichermaßen beschrieben wird. Grundsätzlich unterscheiden wir

 

  • Schwache KI: Einzelne komplexe Fähigkeiten des Menschen werden auf Maschinen übertragen
  • Starke KI: Die Gesamtheit menschlichen Seins wird auf eine Maschine übertragen

 

Als Intelligenz-Test für eine Maschine gilt nach Turing (1912-1954), wenn ein Mensch in einer verdeckten Vergleichssituation nicht mehr unterscheiden kann, ob er mit einer Maschine oder einem Menschen im Austausch ist (z. B. Schreib- oder Sprachassistenten, Spieler, etc.).

 

 

Zur Entwicklung derartiger Fähigkeiten wird das sog. „maschinelle Lernen“ eingesetzt. In diesem Zusammenhang werden Netzwerke künstlicher „Neuronen“ geschaffen. Das sind lernende Systeme, für die komplexe Gegebenheiten der Umwelt in digitale Muster überführt werden.

 

 

Beispiel:  Aus einer handschriftlichen 4 wird durch eine Aufnahme mit einer Kamera eine flächige Pixelmatrix aus dunklen und hellen Stellen. Diese Kontraste werden mit einem Wert (z. B. weiß = 0 / schwarz = 255) hinterlegt. Aus den Pixelmustern und deren Werthaltigkeit erkennt ein Algorithmus, dass die Ziffer 4 geschrieben wurde. Für jede Zahl wird ein eigenes Neuron trainiert. Für das Training sind viele Paare von handschriftlichen Ziffern und deren definierter Bedeutung notwendig. Durch diese bekannten Kombinationen lernt das Netzwerk aus künstlichen Neuronen die Eigenschaften der einzelnen Neuronen zu präzisieren, so dass es im Ergebnis zu jeder handschriftlichen Ziffer deren Bedeutung eigenständig ermitteln kann.

 

 

Dieses Prinzip wendet man im Bereich des autonomen Fahrens nun auch für die Analyse der Fahrzeugumgebung an:

 

  1. wahrnehmen = Zunächst werden die Gegebenheiten der Umgebung durch unterschiedliche Sensor-, Kamera- und Radarsystem erfasst und in einen gemeinsamen Darstellungsraum integriert.
  2. verstehen = Darauf aufbauend segmentiert eine trainierte KI die Darstellung in unterschiedliche Kategorien (Straße & Bauwerke, Schilder & Verkehrssignale, bewegte Fahrzeuge & Personen, Radfahrer, etc.). Dies reduziert die Komplexität und erhöht die Differenzierung in der weiteren Beobachtung.

 

In einem Forschungsprojekt an der TH-Aschaffenburg wird gerade das Verhalten von Fußgängern und Fahrradfahrern erforscht. Damit soll die Position dieser Verkehrsteilnehmer für die nächsten 2,5 Sekunden vorhergesagt werden. Mit einer auf Fußgänger und Radfahrer trainierten KI wird der von den Sensorsystemen wahrgenommene Weg entsprechend analysiert und ausgewertet.

 

 

Die besondere Herausforderung ist, dass sich im Gegensatz zu Fahrzeugen das Verhalten der Fußgänger & Radfahrer wesentlich schwerer voraussagen lässt. Die Vorhersagezeiten, Positionen und Aufenthaltswahrscheinlichkeiten in der erforderlichen hohen Qualität also deutlich schwerer zu ermitteln sind. In jüngsten Ansätzen wird die Vorhersagepräzision deutlich verbessert, in dem die Bewegungen der Personen nicht nur als Linie mit Richtung und Geschwindigkeit, sondern als 3-dimensionale „Pose“ erfasst wird.

 

 

Die so für spezifische Situationen entwickelte Algorithmen, können für unübersichtlichere Sonderfälle (z. B. Kinder & E-Scooter) als gute Grundlage genutzt und zielgerichtet weiterentwickelt werden.

 

 

Für die technische Integration von Künstlicher Intelligenz ist bedeutsam, dass eine große Rechnerleistung vor allem für das Trainieren der KI und für die Sensor-Signal-Verarbeitung erforderlich ist. Austrainierte Systeme lassen sich zum Teil in deutlich einfachere IT-Systeme integrieren. Entsprechend sind viele KI-gestützte System wie Fahrassistenten, Spracherkennung, Routenplanung, Bildauswertung schon in den Alltag eingesickert, ohne dass dies zu Leistungsengpässen auf Seiten der Trägersysteme geführt hat. Neuere Anwendungen sind z. B. Video-DeepFake. Bilderzeugung von künstlichen Personen, medizinische Mustererkennung, Prozessoptimierung in Produktion und Logistik, …

 

 

Die dafür notwendigen Methoden für maschinelles Lernen sind etabliert und breit verfügbar. Allerdings sind die grundlegenden Kompetenzen für diese Methoden vor allem in den USA oder China angesiedelt. Für die europäische / deutsche Wirtschaft bietet sich ein Kompetenzaufbau in der Systemintegration von KI an. Für Assistenzsysteme, Maschinen und Produktionsanlagen kann KI zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Erhöhung der Produktivität genutzt werden.

 

 

Neben den technischen Aspekten sind allerdings für jeden Anwendungsbereich auch die spezifischen rechtlichen und ethischen Voraussetzungen zu klären sowie Folgeabschätzungen vorzunehmen. Zum autonomen Fahren stellen sich zum Beispiel die Fragen:

 

  • Welche Kriterien und Wahrscheinlichkeitsbandbreiten für Vorhersagen, werden für eine Zulassung akzeptiert?
  • Wie kann die IT-Sicherheit gewährleistet werden, um eine Fremdkontrolle der Fahrzeuge zu verhindern?
  • Wie soll mit ethischen Entscheidungssituationen in Grenzfällen umgegangen werden?
  • Will diese Gesellschaft oder schlicht der Kunde überhaupt ein vollautonomes Fahren ohne Eingriffsmöglichkeit?