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Nachhaltige Immobilien

Ringvorlesung Teil 9: Nachhaltige Immobilien

Prof. Dr. Holger Paschedag und Prof. Dr. Anja Kleinke

 

Ein Beitrag von Katja Leimeister & Joachim Schmitt

 

Die Vereinten Nationen haben 17 Nachhaltigkeitsziele formuliert, alleine neun davon sind für Immobilienwirtschaft relevant. Ein bedeutsamer Grund, sich diese Ökonomie genauer unter der Perspektive „Nachhaltigkeit“ anzuschauen. Unter anderem zahlen Green Buildings auf die Ziele „Gesundheit und Wohlergehen“, „bezahlbare und saubere Energie“ sowie „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ ein.

 

Mehr als 30 % der CO2-Emissionen kommen aus Wohn-, Gewerbe- und Industrieimmobilien – vorwiegend aus deren Betrieb: Stichworte sind Heizen und Kühlen – je nach Jahreszeit und geographischer Lage. Und es gibt noch weitere Schattenseiten der wachsenden Immobilienwirtschaft:

  • Versiegelung von Flächen,
  • Zersiedelung und der damit verbundene Bedarf an Infrastruktur,
  • Beeinträchtigung der Artenvielfalt,
  • Rodung von Wäldern,

Diese Problembereiche werden vielfach durch die Trennung der Daseinsfunktionen in der Flächennutzung hervorgerufen: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit findet an unterschiedlichen Plätzen statt. Plätze, die dann auch häufig nur für wenige Stunden am Tag genutzt werden.

 

Bedeutung der Immobilienbranche

Der Aufschrei der Klimaschützer scheint bei der Immobilienwirtschaft nicht so groß zu sein wie bei anderen „Ökosündern“, beispielsweise dem Flug- und Autoverkehr? Warum ist das so?

Der Immobiliensektor ist ein großer Wirtschaftsfaktor. Rund 19 % der Bruttowertschöpfung und rund 11 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bilden die Immobilienbranche in der jeweils weiten Betrachtung ab. Enormes in Immobilien gebundenes Vermögen (13,3 Billionen Euro) und ein riesiges Kreditvolumen (1,5 Mrd. Euro) bedeuten weitere starke Interessensvertreter. Hinzu kommt, dass Eigentümer teure, sich nur langsam amortisierende Investitionen in Bestandimmobilien vielfach ablehnen. Mietpreisentwicklungen werden durch Mietpreisbremsen zum Teil ausgehebelt, da ein preisgünstiges Wohnen ein wichtiges Gut der Gesellschaft ist. Mehr als 50 % der Deutschen wohnen zur Miete.

Dazu kommt, dass die (Bequemlichkeit einer) Immobilie nur schwer substituierbar ist. Bei Reisen mit dem Flugzeug wird von Kritikern der Luxusaspekt im Vordergrund gestellt: Oft könnte man auf die Bahn ausweichen. Wohnen jedoch nimmt eine herausragende Bedeutung für jedermann ein. Das „Dach über dem Kopf“ wird als eine Art Grundrecht verhandelt und schafft eine gewisse persönliche Sicherheit (vgl. Maslow´sche Bedürfnishierarchie). Szenarien wie nach dem Platzen der Immobilienblase insbesondere in den USA, wo Menschen ihre Autos und Camper als Wohnungsersatz nutzten, will man in Deutschland nicht haben.

 

Nachhaltigkeitsstrategie

Es gibt viele Anstrengungen, das Klimaziel „klimaneutrale Immobilen ab 2050“ zu erreichen. Gerade erst wurde von der EU festgelegt, dass bereits bis zum Jahr 2030 nicht nur wie bisher vereinbart 40 % der Treibhausgase eingespart werden sollen, sondern sogar 55 %. Ein ehrgeiziges Ziel. Bei der Umsetzung des Ziels steht die Immobilienwirtschaft natürlich nicht außen vor: Zahlreiche Rechtsvorschriften sind beim Bauen und Sanieren zu beachten. Viele Maßnahmen werden auch staatlich gefördert. Die Erfolge können dann in Nachhaltigkeitszertifikaten für Gebäude wie zum Beispiel das „DGNB Deutsches Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen“ oder dem „LEED-Label Leadership in Energy and Environmental Design“ nachgewiesen und für die (teure) Vermarktung an die entsprechenden Anspruchsgruppen genutzt werden.

 

Größte Einflussmöglichkeiten in der Entwurfsphase

 

Egal, an welcher Stelle man ansetzt, Immobilien nachhaltiger zu machen: Wichtig ist, dass man sich bereits in der Planungsphase Gedanken zu Funktionalität und Komfort, Energie, Material, Schadstoffe und Wirtschaftlichkeit macht. 

Quelle: Quelle: Badr, Amani/ Fuchs, Matthias/ Stark, Thomas/ Zeumer/, Martin Bayerische Architektenkammer (Hrsg.), Nachhaltig gestalten, Leitfaden für Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten, Stadtplaner, Fachingenieure, Bauherren und Interessierte,

Verwendung des Leitfadens (Auszug Tabelle), Juni 2018, S. 8-9.

 

An welchen Stellen kann nun konkret angesetzt werden?

  • Digitalisierung – Smart Home: mit intelligenter Steuerungstechnik kann der Energiebedarf für Beleuchtung, Heizen, Kühlen bedarfsgerecht gesteuert und entsprechend gesenkt werden.
  • Materialauswahl – Material kann so designt werden, dass es recycelfähig ist, sprich das am Ende der Nutzung in seine Komponenten zerlegt werden kann (keine Verklebung oder chemische Vermischung und damit sortenrein trennbar); ebenso kann bei der Materialauswahl verstärkt auf klimaneutrale Ressourcen wie Holz gesetzt werden und Schadstoffe vermieden werden.
  • Berücksichtigung von natürlichen Voraussetzungen – die Ausrichtung der Gebäude kann so erfolgen, dass Sonneneinstrahlung und Erdwärme optimal genutzt werden können.
  • Recycling von Baumaterial z.B. Betonrecycling – viele Gebäude werden abgerissen, das dabei entstehende Abfallmaterial kann teilweise wiederverwendet werden. 
  • Nutzung von Abwärme, Energieüberschüssen / Vernetzung von Immobilien – bei dieser Strategie werden Energieüberschüsse von Industrie und Haushalten in der Nachbarschaft eingesetzt. Ein schönes Beispiel hierzu gibt es Landkreis Miltenberg: Die Papierfabrik Fripa betreibt eine eigene Kraftwärme-Kopplungsanlage. Mit der Abwärme werden drei benachbarte Schulen geheizt. Sowas geht auch im Kleinen: Produziert ein Solardach mehr Energie als der Eigentümer verbraucht, wird es durch eine Vernetzung im Nachbargebäude genutzt oder in das Stromnetz eingespeist.

 

Für den großen Bestand an Immobilien funktioniert allerdings nur das Nachbessern. Das betrifft sowohl die Heiz- und Kühltechnik aber auch bauliche Veränderungen wie Dämmung. Wo genau setzt man an? Aufschluss darüber kann ein Wärmebild per Thermografie geben, das aufzeigt, an welchen Stellen Energie im Winter verloren geht bzw. im Sommer eingetragen wird. Ein Energiebedarfsaufweis für die Immobilie zeigt vor und nach den Maßnahmen, wie sich der Energiebedarf verändert hat.

 

Umdenken in der Baubranche – Praxisbeispiele

Es gibt zahlreiche positive Beispiele für nachhaltiges Bauen und Sanieren. Der Fokus ist dabei oft ganz unterschiedlich und kann als High-Tech-Variante Schule machen ebenso wie als Low-Tech-Variante.

 

 

Weitere Beispiele finden Sie in der Präsentation von Prof. Kleinke und Prof. Paschedag.

 

Fazit: Es gibt viele Einflussfaktoren auf die Nachhaltigkeit von Immobilien. Am meisten bewegen kann man dabei, wenn in der Planungsphase möglichst viele Entscheidungen pro Nachhaltigkeit getroffen werden. Aufgrund der sehr langen Nutzungsdauer von Gebäuden muss jedoch auch der Sanierungsbereich intensiv betrachtet und konsequent verfolgt werden.

 

 

Präsentation zum Download

 

Die Präsentation finden Sie auf unserer Lernplattform. Einfach einschreiben und loslegen!