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Grün bringt Geld? – Nachhaltigeres Wirtschaften und Produkte als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb

 Ein Blogbeitrag von Lucia Wenderoth

über den Vortrag von Prof. Dr. Wieland Achenbach in der Ringvorlesung Geld und Wettbewerb vom 22. November 2021 

 

Nach der Kick-off Veranstaltung der Community für nachhaltige Geschäftspraktiken ging es thematisch passend weiter mit der Ringvorlesung von Prof. Dr. Wieland Achenbach. Er referierte zum Thema: „Grün bringt Geld? – Nachhaltigeres Wirtschaften und Produkte als Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb“.

 

Im Vordergrund seines Vortrages stand stets die Frage: Welche Vorteile hat es für die Unternehmen aber auch die Konsumenten, nachhaltiger zu produzieren und konsumieren? Und: Woran liegt es denn, dass das nachhaltige Verhalten bis heute noch keine Selbstverständlichkeit ist?

 

Der Wandel ist da, aber …
Prof. Achenbach erinnert sich: „Früher dachte man, dass ethisches Verhalten den Gewinn schmälert und war daher versucht, genau dieses ein Stückweit zu unterdrücken. Und auch heute stellt sich vielen die Frage: Wozu soll ethisches Verhalten gut sein? Alles was nicht explizit verboten ist – ist erlaubt, oder? Ähnlich wie die Nachhaltigkeit war dieses Thema noch vor ein paar Jahren völlig „out“. Erst vor rund 15 Jahren kam dann der Umbruch. Das Dilemma: Es ist nicht immer alles nur eine Frage der Logik, sondern vor allem eine Frage der Geschwindigkeit, mit der gewisse Maßnahmen umgesetzt werden.

Der Songtitel „The times they are in changin“ von Bob Dylan beschreibt sehr treffend die aktuelle Situation, denn wir sind sehr stark vom Klimawandel betroffen. Die Globalisierung hat viele Vorteile mit sich gebracht, immerhin hat sie bespielweise zur Überwindung von Armut geführt. Anderseits sorgt genau diese Globalisierung für Klimaveränderung, aber auch soziale Verwerfungen wie Landraub und Ausbeutung von Arbeitern. „Wir hätten immer noch eine Chance, durch nachhaltigeres Wirtschaften den Klimawandel zu stoppen“ erläutert Prof. Achenbach. „Wobei ich – was die Geschwindigkeit des Wandels betrifft, so meinen Zweifel habe“.

 

Intakte Umwelt als wertvolles Gut
Es ist durchaus passend, eine intakte Umwelt als ein Gut zu betrachten, welches man bewirtschaften könnte. Doch die Nutzung dieses Gutes hat einen Preis (Stichwort „marktwirtschaftliche Logik“, welche sich z. B. in so genannten Verschmutzungszertifikaten definieren lässt). Laut Achenbach wäre der Idealzustand jedoch, die Umwelt erst gar nicht zu verschmutzen. Um das hinzubekommen, wäre technischer Fortschritt notwendig, welcher dazu führt, dass man dementsprechend weniger Ressourcen verbraucht. In diesem Zusammenhang entstand bereits vor Jahren der Weltverbrauchstag. Dieser wird leider immer früher „fällig“.  Im Jahr 2021 fiel er auf den 28. Juni. Konkret bedeutet dies, dass wir ab diesem Tag über unsere Verhältnisse leben – und genau davon müssen wir wegkommen.

 

Hoffnung in Sicht
Glücklicherweise gibt es Hoffnung in Sicht, denn es gibt immer mehr Menschen, die umdenken (Generation Z, LoHaS = Lifestyle of Health and Sustainability, sowie Vegetarier und Veganer). Trotz der unterschiedlichen Ansätze haben diese Menschen eines gemeinsam: Durch den Verzicht auf z. B. Fleischkonsum helfen sie dabei, die Methanproduktion zu reduzieren und das Abholzen von Regenwäldern für Weidelandschaften zu verringern. Prof. Achenbach ist fest davon überzeugt: „Das übermäßige Konsumieren von Fleisch hat einen immensen Einfluss auf den Klimawandel und sollte nicht unterschätzt werden.“ Aber auch die Unternehmen handeln nach und nach umweltbewusster und entscheiden sich absichtlich gegen Investitionen, welche der Umwelt schaden. Die sogenannte Decarbonisierung etwa ist längst gestartet, immer mehr Investitionsgelder fließen in den Aufbau nachhaltiger Assets.

 

Nachhaltigkeit als Chance für Unternehmen
Es gibt durchaus ökonomische Vorteile bei nachhaltiger Produktionsweise: So können Unternehmen durch Allokationseffizienz (keine Verschwendung) beträchtliche Kosten sparen, indem sie einen reduzierten Energie-, Wasser,- und Materialverbrauch haben, statt Müll Recycling betreiben und für eine effizientere Auslastung der Produktionsanlagen sorgen. Sie müssen jedoch etwas Geduld haben, denn die nachhaltige Einstellung fruchtet meist erst zu gegebener Zeit und macht sich bei den Kunden in Form von einer höheren Reputation und damit einer Erhöhung des Markenwertes, motivierten Mitarbeitern und einer positiven Wahrnehmung bei Investoren bemerkbar. Eine höhere Qualität aus nachhaltigerer Produktion kann daher durchaus einen Differenzierungsvorteil im Wettbewerb darstellen.

 

Was ist eigentlich Qualität?
Wird die Kundenerwartung getroffen, oder sogar übertroffen, spricht man von Qualität. Dabei unterscheidet man zwischen einer faktischen und einer gefühlten Qualität. Der Unterschied liegt vor allem in dem positionalen Wert des Gutes, welcher von dem Wunsch des Käufers, sich von den anderen zu unterscheiden gesteuert wird (Statusorientierung).  Die faktische Qualität dagegen macht sich vor allem auf dem Sektor der Technik bemerkbar, denn mit der Zunahme der Güte steigt auch der Nutzungswert, etwa durch eine bessere Sicherheit. Zudem steigt die „Lebenserwartung“ eines Produktes, also die Nutzungsdauer, wodurch die totalen Nutzungskosten sinken. Auch innerhalb der Lebensmittelindustrie ist ein zunehmender Qualitätsanspruch zu verzeichnen. Hier spielt vor allem das Streben nach einem längeren, gesünderen Leben aber auch das Tierwohl und veränderte Werteinstellungen eine ausschlaggebende Rolle.

 

Wenn nachhaltiges und qualitativ hochwertiges Produzieren als neue Chance im Wettbewerb einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt schafft, stellt sich zugleich die Frage, warum nicht alle Unternehmen längst nachhaltiger produzieren.

 

Markversagen durch den Unterschied von faktischer und gefühlter Qualität

Viele Käufer nehmen günstige Angebote wahr und verzichten dabei - scheinbar freiwillig - auf eine entsprechende Qualität der Produkte. Doch warum ist es so? Meistens sind fehlende Informationen über das Produkt der Grund - bezeihungsweise die Unfähigkeit der Käufer, eben deren Qualität beurteilen zu können. Am Ende des Tages bemerken die meisten Konsumenten den Zusammenhang zwischen dem günstigen Preis und der geringen Qualität der Produkte nicht. Daher kann es passieren, dass sich am Markt nicht das "beste", sondern ein  minderwertiges und billiges Produkt etabliert. Wenn das schlechtere Produkt am Markt erfolgreicher ist als das bessere, wird auch von der "adversen Selektion" gesprochen. In den 1980-er Jahren war von diesem Phänomen etwa der Wein betroffen - die Konsumenten waren oft (noch) nicht in der Lage, guten Wein als solchen zu schätzen und kauften daher billigen Wein.  Die Weinproduzenten reagierten darauf mit noch weniger Produktionsaufwand - der Wein wurde immer schlechter und billiger.  Es waren die Weinliebhaber des Bildungsbürgertums, die ab den 1990-er Jahren diese Abwärtsspirale aufhielten - denn es war chic geworden, als "Kenner" einen guten und teueren Wein zu trinken. Die adverse Selektion oder auch Negativauslese verdrängt die Qualitätsprodukte, was dazu führt, dass sich die Qualitätsanbieter nicht flächendeckend durchsetzen können.  Aktuelle kann man dieses Phänomen bei diversen Lebensmitteln (H-Milch) beobachten, aber auch bei Produkten wie Pauschalreisen (all you can eat).

 

 
Weiteres Problem: Geplante Obsoleszenz
Geplante Obsoleszenz (geplanter Verschleiß) ist eine Marketingstrategie, bei der das Veralten eines Produktes vom Hersteller geplant und konzeptionell vorgesehen ist. Es wird immer wieder spekuliert, ob nicht viele technische Geräte bewusst so gebaut werden, dass ihre Lebensdauer stark eingeschränkt ist. Beweisen lässt sich dies nur schwer, die Schwachstellen zahlreicher Geräte sind jedoch sehr auffällig. Gleichzeitig gibt es immer mehr Unternehmen, die sehr stark davon leben, innerhalb von ein bis zwei Jahren ein scheinbar neues Produkt auf den Markt zu bringen, obwohl die technischen Erneuerungen im Vergleich zum Vorgängermodell marginal sind.

 

Konsumentenversagen
Aber auch wir als Konsumenten tragen eine große Verantwortung, was das ethische und nachhaltige Verbrauchen betrifft – denn letztendlich bestimmen unsere Konsumgewohnheiten, welche Produkte und Qualitäten sich auf dem Markt langfristig durchsetzen. In der Praxis fällt uns das umweltfreundliche Konsumieren leider nicht immer leicht, Gründe dafür liegen meist in der fehlenden Einsicht, der eigenen Bequemlichkeit, Hedonismus, starken Hang zu positionalen statt funktionalen Gütern, aber auch am Einkommen und der fehlenden Transparenz.

 

Staatsversagen
Neben Markt- und Konsumentenversagen trägt das Staatsversagen zu dem nach wie vor zu optimierenden Wirtschaften bei. Konkret liegt das Problem mit Blick auf Umweltschutz im massiven Egoismus der einzelnen Staaten, schlechten oder unverständlichen Regeln, sowie der fehlenden Vorbildfunktion des Staates (starker Lobbyismus). Menschen mögen keine für sie unangenehmen Veränderungen und Politiker möchten meistens wiedergewählt werden. Das Resultat: Die Veränderungen bleiben aus oder verwässern innerhalb von Parteikoalitionen in Kompromissen. Und: Wenn mal Entscheidungen zu Gunsten der Nachhaltigkeit getroffen werden, dauert deren Umsetzung extrem lange. „Too little, too late – das übliche Elend der Wirtschaftspolitik“, erklärt Prof. Achenbach.

 

Welche Lösungsansätze gibt es?
Prof. Achenbach ist überzeugt: „Die Marktwirtschaft abschaffen und durch eine zentrale Verwaltungswirtschaft ersetzen, ist auf jeden Fall keine sinnvolle Lösung.“ Wenn wir es ernst meinen und schneller vorankommen wollen muss es laut Prof. Achenbach endlich eine bedingungslose Transparenz, Ampel- und Kennzeichnungspflicht auf allen Produkten sowie eine festgesetzte Erhöhung der Recyclingquote und eine Umweltpolizei gegen greenwashing (eine kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt) geben. Auch die Co2-Abgaben sollten seitens der Unternehmen mit einem signifikant höheren Preis angesetzt und zugleich mit einer Verpflichtung verknüpft werden, zusätzliche Einnahmen in Forschung zu investieren. Die geplante Obsoleszenz sollte grundsätzlich verboten werden, oder zumindest eine Gebrauchsgütergarantie von mindestens fünf Jahren angeboten werden. Und schließlich sollten auch die Endverbraucher mit einer „1:1 Entsorgung für Gebrauchsgüter“ in die Pflicht genommen werden.

 

Aber zuallererst sollte jeder bei sich anfangen und sein Nachfrageverhalten ändern, denn wie heißt es so schön: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

 

Unterlagen zur Ringvorlesung

Die Vortragsschaubilder aller Referent/innen werden jeweils im Nachgang der Veranstaltung auf der Lernplattform von mainproject bzw. für Studierende der TH im Hochschul-Moodle zum Download bereitgestellt. Der Kurs heißt jeweils „RV Geld und Wettbewerb“. Eine Zusammenfassung der einzelnen Vorträge gibt es zudem jede Woche als Blogbeitrag unter https://www.mainproject.eu/blog/für-sie-besucht/.