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Welche Aufgaben und Bedeutung haben Weiterbildungsbeauftragte („Chief Qualification Officer“ – CQO) im Unternehmen?

Zusammenfassung einer studentischen Seminararbeit aus dem Sommersemester 2022

 

Das Thema „New Work“ zieht sich bereits seit ein paar Jahren wie ein roter Faden durch die gesamte Debatte zur Neugestaltung der Arbeitswelt. Dies geschieht nicht ohne Grund: Vor allem seit dem Jahr 2020 hat im Zuge der Corona-Pandemie die Digitale Transformation unseren Arbeitsalltag in fast allen Bereichen in der Wirtschaft und Verwaltung erreicht. Viele sehen sich gezwungen, in dieser Hinsicht umzudenken und sich neue Kompetenzen anzueignen, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können. Das mainproject Team befasst sich seit rund drei Jahren mit diesem Thema und organisierte in dem Zusammenhang bereits einige Veranstaltungen, welche nicht zuletzt die Basis für Publikationen wie „Digital. Konzertiert. Aktiv“1 und erst kürzlich für die Veröffentlichung mit dem Titel „Soziale Nachhaltigkeit durch berufliche Weiterbildung“2 darstellten. Mit dem eben genannten Themenbezug fand im März dieses Jahres das Fachgespräch „New Work 2022“ statt. Im Fokus der Diskussionen zwischen den Arbeitgeber- und ArbeitnehmervertreterInnen stand die Frage, welche Tendenzen es zukünftig in der transformierten Arbeitswelt geben wird.

 

Vor allem bei dem Thema „Chief Qualification Officer“ (CQO) wurde in den Gesprächsrunden mehr als deutlich, dass sich die Benennung von solchem Beauftragten in den Betrieben als ein sehr effektiver und taktisch kluger Schritt erweisen kann. Zugleich stellte sich die Frage, wie die Aufgabenbeschreibung und Ausbildung eines CQO gestaltet werden könnten und welche Aufwände und Akzeptanzfragen daraus resultieren würden? Genau mit dieser Aufgabenstellung haben sich vier Studierende der TH Aschaffenburg befasst und ihre Ergebnisse im Rahmen einer Seminararbeit präsentiert. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Arbeit haben wir hier für Sie hier zusammengefasst.

 

Ausgangssituation

Seit einigen Jahrzehnten ist die Arbeitswelt von ständigen Veränderungen und einem zunehmend dynamischen Charakter geprägt. Dadurch besteht sowohl von Arbeitgeberseite als auch von Arbeitnehmerseite der Bedarf, sich mit dem Thema Weiterbildung auseinander zu setzen. Einer der ausschlaggebenden Einflussfaktoren innerhalb dieser Entwicklung ist der demographische Wandel. Bereits heute ist klar, dass viele WissensträgerInnen in den nächsten zehn Jahren die Unternehmen in Richtung Ruhestand verlassen werden und gleichzeitig die Nachwuchskräfte, welche diese Lücke schließen könnten, fehlen. Umso bedeutender wird in der Personalentwicklung der Ausbau und Aufbau des Wissens der MitarbeiterInnen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der technologische Fortschritt. Dieser betrifft alle Unternehmensbereiche, Produktionsverfahren, sowie komplette Wertschöpfungsketten und verändert grundlegend die Art und Weise, wie wir arbeiten und damit die benötigten Kompetenzen der Belegschaft.

 

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind bei dem CQO besonders nützlich und erwünscht? Und: Mit welchem Aufwand gehen diese einher? Diesen zentralen Fragestellungen gehen die Studierenden in ihrer Arbeit nach – mit Hilfe von Auswertungen von vier verschiedenen Analogiefällen und dem „Open Innovation“-Ansatz, mit dem die Verbesserung eines betrieblichen Innovationsprozesses mit Unterstützung von externen Beteiligten (in diesem Fall Interviewpartner und ihr Meinungsbild) gewährleistet werden soll.

 

Digitalisierung und ihr Einfluss auf die Weiterbildung

Die Notwendigkeit des „life-long learning“ stellt eine logische Weiterentwicklung in diesem Digitalisierungsprozess dar und steht für ein lebenslanges Lernen, welches sich im Laufe des Strukturwandels in unterschiedlichen Ländern sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft durchgesetzt hat. Notwendig wurde dies durch die permanenten Veränderungen in Unternehmen, aber auch innerhalb von anderen Lebensbereichen. Doch auch die Bedeutung der Nachhaltigkeit in Bezug auf Weiterbildung ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Hier lautet die zentrale Frage: „Welche Entwicklungsmaßnahmen sind notwendig und wie müssen sie strukturiert sein, damit ihre Resultate zur Erreichung der Unternehmensziele und der Ziele der Mitarbeitenden beitragen und zu dauerhaften Veränderungen führen?“

 

Andere „Beauftragte“ als Vorreiter des COQ

Die Benennung von „Beauftragten“ für bestimmte Aufgabenstellungen ist nicht neu. Im Gegenteil – diese hat sich bereits seit Jahren als der richtige Weg erwiesen, wenn es darum ging, ein zunächst abstraktes Interesse, welches adressiert werden müsste, in die tätige Praxis umzusetzen. Gewöhnlich kommt jedoch erst über eine entsprechende Verordnungslage Bewegung in den Prozess der Ernennung eines „Beauftragten“. Häufig scheitert es anfangs bereits daran, dass bestimmte Weiterbildungsbedarfe mangels konkreter Eingrenzung und Benennung der geforderten Expertise gar nicht erst definiert werden können.

 

Umso wichtiger sei es, sich die Aufgabenbeschreibungen und die entsprechenden Ausbildungen von den bereits etablierten Beauftragten genauer anzusehen und Analogiequellen hinsichtlich verschiedener Aspekte zu analysieren, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen, welche bei einer neu zu entwickelnder Rolle, wie dem Chief Qualification Officer, relevant sein können. Die AutorInnen der Seminararbeit haben sich bei der Analyse für die vier am stärksten vertretenen Gruppen entschieden: Gleichstellungsbeauftragte, Umweltbeauftragte, Arbeitsschutzbeauftragte und Chief Learning Officer. Vor allem bei der zuletzt genannten Gruppe galt es zusätzlich zu untersuchen, inwieweit es Parallelen zu den Aufgaben des CQO gibt.

 

Chief Learning Officer versus CQO

Als Teil der Personalentwicklung, damit auch als ein Begleiter, Ausbilder, Botschafter, Vermittler und Stratege ist ein Chief Learning Officer für die Auswahl und Koordination der Weiterbildungsmaßnahmen zuständig. Dies umfasst den Aufbau von Kontaktbeziehungen zu externen Trainingsanbietern, sowie die Qualitätssicherung von Schulungen. Der CQO steht im engen Austausch mit der Unternehmensführung, um die strategischen Ziele hinsichtlich Weiterbildung für Alle umsetzen zu können. Daher ist seine organisatorische Eingliederung in einer zentralen Stabsstelle, welche direkt der Unternehmensführung unterstellt ist, sinnvoll.

 

Ferner kamen die Studierenden in ihrer Seminararbeit in einem synoptischen Modell zu der Erkenntnis, dass der Chief Learning Officer in Bezug auf den Bildungsmanagementprozess der operativen Dimension zugeordnet werden kann. Der Schwerpunkt seiner Aufgaben liegt dabei, wie bereits ausgeführt, auf der Auswahl von Weiterbildungsmaßnahmen, der Pflege der Beziehungen zu externen Weiterbildungsanbietern sowie der Qualitätssicherung von Schulungen. All diese Tätigkeiten lassen sich im Prozess den Stufen der Planung, Durchführung und Evaluierung zuordnen. Schließlich filtern sich folgende Eigenschaften, Tätigkeiten und Qualifikationen heraus, welche dem CQO u. a. ebenfalls zuzuschreiben sind:

 

-     Qualifizierte Weiterbildungen durchführen

-     Fachliche Weisungsbefugnis besitzen

-     Weisungsgebunden gegenüber der Unternehmensführung sein

-     Mindestens eine Teilzeitstelle besetzen

 

Der CQO deckt in seiner leitenden Funktion den ganzen Bereich der Weiterbildung im Unternehmen ab, konzentriert sich aber besonders auf den strategischen Teil. Oberste Aufgabe des CQO ist es daher, dafür zu sorgen, dass die MitarbeiterInnen des Unternehmens zu jeder Zeit ausreichend ausgebildet und qualifiziert sind, um den Aufgaben des Tagesgeschäfts als auch jenen projektbezogenen gewachsen zu sein. Zusammengefasst sorgt der CQO dafür, dass die Mitarbeitenden die für den Erfolg des Unternehmens benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen besitzen.

 

Anforderungsprofil an den CQO

Da der CQO eine C-Level Position innehält, wird auch eine entsprechende Ausbildung in Form von mindestens einem abgeschlossenen Bachelor-Studium, besser noch einem Master-Abschluss in einem MINT-Fach oder ganz klassisch einem MBA (Master of Business Administration) erwartet. Diese Anforderung setzen auch die Autoren dieser Seminararbeit für den CQO mit der Begründung voraus, dass dieser dazu in der Lage sein muss, die täglichen Aufgaben und Prozesse, die im Unternehmen ablaufen, zu verstehen und entsprechend zu reagieren. Weiterhin sollte der CQO langjährige Berufserfahrung in leitenden Positionen und Personalentwicklung haben, um auch hier die nötige Erfahrung mitzubringen, wie das Learning und Development Team bestmöglich unterstützt und geführt werden kann. Um in der Lage sein zu können, bei anstehenden Projekten richtig einzuschätzen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen für die reibungslose Abwicklung des Projektes nötig sind, ist das Wissen über die Produkte und/oder Dienstleistungen des Unternehmens ebenfalls von Vorteil. Was die Soft Skills betrifft, so sollte der CQO die gängigen Fähigkeiten wie strategisches und analytisches Denken, Entscheidungsfreudigkeit und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten besitzen und über exzellente Führungsfähigkeiten verfügen. Außerdem sollte ein CQO ausgeprägte Menschenkenntnis besitzen und empathisch sein, da er aufgrund seiner Tätigkeit auf sehr unterschiedliche Menschentypen im Unternehmen treffen und entsprechend reagieren muss.

 

Aufwand der Implementierung eines CQO ins Unternehmen

Für den Chief Qualification Officer beachten wir drei Arten an Aufwand, die bei der Implementierung in ein Unternehmen entstehen können. Die erste Aufwandsart ist der Personalaufwand. Dieser ist zu unterscheiden von der zweiten Aufwandsart, den Personalkosten. Die Personalkosten enthalten zum Beispiel Aus- und Weiterbildungskosten, Reisekosten oder auch die Kosten für ein Dienstfahrzeug. Die dritte Aufwandsart, welche bei der Implementierung einer neuen Rolle wie dem Chief Qualification Officer entsteht, sind die Bürokosten. Um den Aufwand der Implementierung des Chief Qualification Officers zu bestimmen, werden die drei beschriebenen Aufwandsarten im Verhältnis zur Unternehmensgröße betrachtet. Bei Unternehmensgrößen wird dabei zwischen Kleinstunternehmen, kleinen Unternehmen, mittleren Unternehmen und Großunternehmen unterschieden. Es ist davon auszugehen, dass bei Kleinstunternehmen der Aufwand der Implementierung hoch ausfällt, während Großunternehmen den Aufwand der Implementierung einfacher stemmen können.

 

Wie kommt es zu der Einschätzung? Da der CQO bestenfalls mindestens eine Teilzeitstelle voraussetzt und zudem eine C-Level Position ist, kann die Implementierung des Chief Qualification Officers gerade bei Kleinstunternehmen und Kleinunternehmen organisatorisch und finanziell nicht realisierbar sein. Großunternehmen haben hier den Vorteil, dass Aufgrund ihrer für gewöhnlich vorhandenen Organisationsstruktur C-Level Positionen grundsätzlich schon vorhanden sind und der Aufwand der Implementierung einer neuen Person und Stelle bei bereits mindestens 250 geschaffenen Stellen einen Aufwand darstellt, der dem Unternehmen nicht unbekannt ist. Daher stehen gerade Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen bei dem Thema Chief Qualification Officer vor einem strategischen Dilemma. Einerseits können Sie ihre Wissensentwicklung unter dem verhältnismäßig hohen Aufwand der Implementierung, den der Chief Qualification Officer mit sich bringt, vorantreiben, gefährden dadurch aber gleichzeitig aus finanzieller Perspektive ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Option, den Aufwand der Implementierung des Chief Qualfication Officers nicht auf sich zu nehmen, würde das Scheitern bei der Wissensentwicklung und ebenso die Gefährdung ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedeuten.

 

Outsourcing des CQO als Alternative?

Wie in dem Absatz zuvor beschrieben, nimmt der Implementierungsaufwand von kleinen zu großen Unternehmen proportional ab. Daher stellt sich die Frage, ob für kleine Unternehmen ein externer CQO von Vorteil wäre. Unternehmensberatungen können im Bereich Strategie und Planung von Weiterbildungsmaßnahmen vor allem großen Unternehmen zur Seite stehen. Sie bieten ein umfassendes Beratungsangebot im Bereich Human Ressourcen Management, beraten Unternehmen in Bezug auf die Abstimmung der Personalstrategie auf aktuelle Marktentwicklungen und helfen bei der Definition und Entwicklung von Weiterbildungsstrategien. Ähnlich wie Verbände, führen auch sie Studien zum Thema Weiterbildung durch. In den Prozessstufen Durchführung und Evaluierung, die der operativen Dimension des Bildungsmanagementprozesses angehören, besteht die Möglichkeit, externe Fort- und Weiterbildungspartner zu integrieren. Ein Beispiel mit regionalem Bezug ist die Industrie und Handelskammer Aschaffenburg, die ein breites Angebot an Weiterbildungslehrgängen und Seminaren für Branchen aller Art anbietet.

 

Fazit

Die analysierten Analogiequellen der AutorInnen zeigten auf, wie eine Aufgabenbeschreibung, aber auch die Ausbildung von Beauftragten zu gestalten ist. Die Aufwände und Akzeptanzfragen haben je nach Beauftragten variiert und mussten entsprechend für den CQO überdacht werden. Unter der Berücksichtigung der Ergebnisse aus den analysierten Analogiequellen sowie allgemeinen Anforderungen an C-Level Positionen und Weiterbildungsthemen, ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass der CQO als Teil einer leitenden Funktion im Bereich Weiterbildung besonders auf der strategischen Ebene agiert. Dabei muss er dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeitenden eines Unternehmens über qualifizierte Aus- und Weiterbildungen verfügen, aktuelle Trends und Entwicklungen erfassen und bewerten können und diese nach Bedarf auch in ihrer Weiterbildungsstrategie berücksichtigen. Der Aufwand zur Implementierung eines CQO ist grundsätzlich zwar immer ungefähr gleich, kann je nach Unternehmensgröße unterschiedlich schwer ins Gewicht fallen. Für Kleinst- und Kleinunternehmen kann die Implementierung eines CQO ein riskantes Unterfangen sein, während Großunternehmen und Konzerne diese Rolle ohne größere Umstände implementieren können.

 

Daher wurde auch die Möglichkeit betrachtet, den CQO über eine externe Lösung für Kleinst- und Kleinunternehmen attraktiv zu gestalten. Allerdings ist das Thema derart komplex, dass während der Bearbeitung offene Fragen entstanden sind, die hier nicht weiter berücksichtigt werden konnten (wie beispielsweise die Fragen, wie der CQO auf Arbeitgeberseite an Akzeptanz gewinnen kann oder auch wie rentabel Weiterbildung ist und wie diese gemessen werden könnte). Trotz der offensichtlichen Vorteile des CQO, möchten die AutorInnen die in mancherlei Hinsicht als „betriebliches Dilemma“ wahrgenommene Situation realistisch betrachten: Wenn der CQO zur Vorschrift werden sollte, ist dessen Einstellung mit hohen Kosten und einem erheblichen Aufwand verbunden. Ohne zusätzliche personelle und finanzielle Hilfe für kleine und mittelständische Unternehmen ist diese Implementierung definitiv nicht möglich, denn diese haben bereits jetzt schon mit der Durchsetzung der bestehenden Vorschriften (z. B. mit den Datenschutzvorschriften, bei denen viele Unternehmen angeben, dass ihnen die Zeit und das Personal fehlen würde, um diese Vorschriften richtig umsetzen zu können) ihre Schwierigkeiten. Daher sind die AutorInnen dieser Seminararbeit zu der Auffassung gekommen, dass der CQO zumindest für kleine und mittelständische Unternehmen keine Vorschrift werden sollte, das Thema Weiterbildung jedoch deutlich mehr Aufmerksamkeit und vor allem auch finanzielle Unterstützung seitens der Politik verdient. Bei den großen Unternehmen macht eine Vorschrift ihrer Meinung nach deutlich mehr Sinn, da diese auch die nötigen Ressourcen haben, eine Stelle für den CQO zu schaffen. Zudem sollte das Weiterbildungsangebot weiter ausgebaut und übersichtlicher gestaltet werden.

 

Zusammenfassung von Lucia Wenderoth / August 2022

 

 

1 „Digital. Konzertiert. Aktiv“ Download unter https://bit.ly/3QFnM2g

 

 

2 „Soziale Nachhaltigkeit durch berufliche Weiterbildung“, Download unter: https://bit.ly/3AnhdMa