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Geld und Ethik

Ein Blogbeitrag von Katja Leimeister über den Vortrag von Prof. Dr. Ruben Zimmermann im Rahmen der Ringvorlesung Geld und Wettbewerb

 

Die Bibel ist eine wichtige Quelle zu den Fragen der Ethik in unserem christlich geprägten Kulturkreis – und sie ist voller Anspielungen auf Geld, Besitz und Reichtum. Besonders im Neuen Testament finden sich viele Episoden und Parabeln, die eine Wertung hinsichtlich Geld und Reichtum erlauben.

 

Gott und der (schnöde) Mammon?

Mammon ist ein aus dem Aramäischen entlehnter Begriff, der ursprünglich „Besitz“ oder „Vermögen“ bedeutet. In der Bibel wird dieser „Mammon“ einige Male erwähnt, z. B. bei Matthäus (6,25) und Lukas (16,13): „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ Soll der Mensch also gänzlich auf Reichtum verzichten, um nach dem Tod das ewige Leben zu erlangen, wie es das „Gleichnis vom reichen Jüngling“ bei Markus (10,25) nahelegt: „Eher kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“. Doch ein so einfacher Gegensatz besteht nicht, betont Prof. Ruben Zimmermann.

 

Ökonomische Grundorientierung in der antiken Welt

Um die Geschichten in der Bibel zu verstehen und ethische Normen für die heutige Gesellschaft abzuleiten, ist es notwendig zu wissen, wie das damalige Wirtschafts- und Geldsystem funktionierte. Alexander der Große hatte nicht nur begonnen, mit dem steuerfinanzierten Neubau und Ausbau von Städten Infrastruktur für sein Reich zu schaffen, er hatte auch die Zentralisierung und Homogenisierung der Geldwirtschaft vorangetrieben. Athen wurde zum Monopol für das Prägen von Münzen, im ganzen Reich sollten mit einer einheitlichen Währung die Steuern bezahlt werden. Hohe Abgaben wurden von allen Nicht-Römern erhoben, teilweise über die Hälfte des Einkommens. Als einzige Gegenleistung wurde ihnen dafür ein „militärischer Schutz“ geboten, was von den Betroffenen aber eher als Form der Unterdrückung wahrgenommen wurde. Dieses Steuersystem ist zu sehen vor einer enormen sozialen Ungleichheit. Etwa 5 % der Bevölkerung gehörten zur Grundbesitz-Oberschicht, 95 % zur Unterschicht, die sich von nicht-selbständiger Arbeit, etwa im Tagelohn, ernährte.    

 

Findet die Bibel das Unternehmertum gut?

Unternehmerisches Tun gilt in der kapitalistischen Welt als eine Quelle von – gar unverdientem? – Reichtum und großer sozialer Machtfülle. Nach gängiger Meinung in Teilen der zeitgenössischen Theologie wird dieser Reichtum in der Antike auf dem Rücken der wirtschaftlich Abhängigen erreicht. Der erste Impuls könnte also sein, dass die Bibel – deren Schriften oft als pathoszentrische Fürsprache für Arme und Kranke gelesen wird – Unternehmertum als verwerflich darstellt. Doch eine pauschale Kritik am Unternehmertum kann man in der Bibel nicht finden: Jesus selbst stammt aus einer selbstständigen Handwerkerfamilie, seine Schüler (Jünger) sind unter anderem Kleinunternehmer, wie Fischer oder Zollpächter. Jesus heißt es hingegen gut, wenn Reiche ihren Reichtum teilen. Der Zöllner Zachäus (auch ein selbstständiger Beruf zu diesem Zeitpunkt), der im Auftrag von Rom Steuern wie den Zehnt eintreibt und von der Gesellschaft als Sünder angesehen wird, wird von Jesus geläutert und gibt die Hälfte seines Vermögens an Arme und Kranke ab und ersetzt den Schaden für illegal Erpresstes „vierfach“. Letztlich lässt sich aus dieser Geschichte ein Appell ablesen, dass Eigentum auch sozial verpflichtet. Eine Maxime, die in einer sozialen Marktwirtschaft wie die in Deutschland sogar im Grundgesetz (Art 14, Abs. 2) geregelt ist: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Einige Milliardäre folgen Zachäus´ Vorbild:  Mit The Giving Pledge (englisch für „Das Versprechen zu geben“) haben Bill Gates und Warren Buffet 2010 eine philanthropische Kampagne gestartet. Sie soll besonders wohlhabende Menschen zu Spenden für das Gemeinwohl animieren.

 

Unterschiedlich interpretierbar

Die aktuelle Theologie ist sich in der Exegese mancher Bibelstellen nicht unbedingt einig, wie diese für die heutige Zeit zu interpretieren sind. Die Parabel von den anvertrauten Talenten (damals eine Maß- und Geldeinheit in Mesopotamien) ist hierfür ein Paradebeispiel: Ein Vater gibt gleiche Teile seines Vermögens an seine drei Söhne mit dem Auftrag, gut auf sie aufzupassen. Nach vergangener Zeit belohnt er nur diese, die das Kapital investiert und vermehrt haben und beschimpft jenen, der es „nur“ aufgehoben hat. So könnte man daraus ablesen, dass Erfolg im „kapitalistischen“ Wettbewerb gewollt und gerechtfertigt ist. Ebenso wäre es möglich, daraus eine Aufforderung (und gar Pflicht!) abzuleiten, aus seinen Talenten (hier verstanden als „Begabungen“) etwas zu machen. Drittens könnte es auch so interpretiert werden, dass der Gewinn-Verweigerer der eigentliche Held ist, denn er wendet sich gegen die Ideologie der spekulativen Gewinnmaximierung.

 

Die (ethischen) Verführungen des Reichtums

Geld ist nicht alles im Leben. Es ist geeignet, Menschen zu verführen und das Wesentliche zu vernachlässigen. In der Bibel wird das Wesentliche als Schätze im Himmel bezeichnet, vielleicht wären heutzutage Begriffe und Werte wie Familienleben, soziale Nähe, Mitmenschlichkeit, Zusammenhalt, auch Liebe und Freundschaft, passender. Mit Geld kann auch viel Unheil angerichtet werden: Bestechung und Betrug, bereits in der Bibel bekannt, sind keine Kavaliersdelikte, sondern werden gesetzlich geahndet. Aus habgieriger Geschäftstätigkeit andere Personen zur eigenen Bereicherung ausnutzen, ist zunächst nicht unbedingt illegal, ethisch aber fragwürdig.

 

Die (ethischen) Segnungen des Reichtums

Aus dem Gleichnis des barmherzigen Samariters [1] kann quasi kein Blankoscheck für die beliebige, vollumfängliche und gar unentgeltliche Versorgung von Kranken, Armen und Alten ausgestellt werden. Ein sozialer Dienst muss also nicht ehrenamtlich erbracht werden, sondern kann durchaus institutionalisiert (Sozialdienste wie Diakonie, Caritas, etc.) von deren bezahlten Mitarbeiter/innen erfolgen. Damit kann Geld zum allgemeinen Nutzen in der Gesellschaft verwendet werden. Dass dieses Geld von solchen zu erbringen ist, die es sich offenbar leisten können (so wie es beim barmherzigen Samariter der Fall war), ist offensichtlich. Möglichkeiten für das Erbringen sozial-gemeinnütziger Spenden gibt es reichlich.

 

 

Möchten Sie noch mehr zum Thema Geld und Wettbewerb lesen? Eine Zusammenfassung der einzelnen Vorträge der Ringvorlesung gibt es jede Woche als Blogbeitrag unter https://www.mainproject.eu/blog/für-sie-besucht/.

 

 



[1] zunächst als Bezeichnung für einen Menschen aus der Samarien. Dass Samariter heute in erster Linie selbstloser Helfer bedeutet, leitet sich erst aus dieser Bibelgeschichte in Lukas 10, 25ff ab.