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Ringvorlesung „Verantwortung“ – Einführungsvortrag

Ein Blogbeitrag von Meike Schumacher zum Einführungsvortrag von Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann am 16. Oktober 2023.

 

Mit dem Einführungsvortrag von Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann startete am 16. Oktober 2023 die Ringvorlesung zum Thema „Verantwortung“ im Wintersemester 2023/2024. Bereits zum fünften Mal jährt sich dieses Veranstaltungsformat des Information Management Instituts an der TH Aschaffenburg. Nach den Ringvorlesungen zu „Digitaler Wandel“, „Nachhaltigkeit“, „Geld und Wettbewerb“ sowie „Krisen und Auswege“ in den Vorjahren, dreht sich in dieser Ringvorlesung alles um das Thema „Verantwortung“.

 

Auch diese Ringvorlesung wird, wie dies auch schon in den vergangenen Jahren der Fall war, hybrid durchgeführt. Das Thema stößt auf Interesse wie die sehr gute Publikumsresonanz zeigte: An der Auftaktveranstaltung nahmen rund 170 Personen (in Präsenz und online per Videokonferenz) teil. 

 

Der Begriff der „Verantwortung“

 

In seinem Eröffnungsvortrag beleuchtete Prof. Dr. Hofmann zunächst den Begriff der „Verantwortung“ etwas näher zu und erläuterte: Verantwortung zu übernehmen gehört zur zentralen humanen Lebenspraxis. Menschen übernehmen ständig Verantwortung – auch für Kleinigkeiten. Menschen, die Verantwortung vollständig von sich weisen, verlieren wohl ihren Lebenssinn.

 

Verantwortung sieht Professor Hofmann im Kontext mit Verstehen und Vertrauen zusammen. Diese drei Elemente sieht er als Grundstrukturen menschlicher Erkenntnis- und Handlungsmuster und sie unterscheiden den Menschen von Maschinen – und führt letztlich dazu, dass Maschinen keine Verantwortung übernehmen können, für nichts verantwortbar gemacht und für Versagen sanktioniert werden können.

 

Der Begriff der Verantwortung hat zudem viel mit dem Wort „antworten“ zu tun. „Verantwortung ist die Antwort der Handelnden auf die Frage ‚was hast du getan?‘“, so Prof. Dr. Hofmann. Übernimmt man Verantwortung, so man eine schlüssige Antwort – mangelt es an Verantwortung, so wird die Antwort verweigert oder mit ausweichenden Antworten oder einer Lüge reagiert.

 

Sind Verantwortung und Führung komplementär?

 

Professor Hofmann stellte weiter die Frage, ob Führung ohne Verantwortung oder im Gegenzug Verantwortung ohne Führung sinnlos sind. Es besteht bereits bei Kindern eine Neigung, Verantwortung zu übernehmen. Sie finden es gut, wenn man sie mit etwas Wichtigem beauftragt und ihnen Verantwortung zuschreibt und die Erfüllung von Aufgaben zutraut. Vorbehalte, wie „das kannst du noch nicht“ versuchen Kinder in der Regel möglichst rasch zu überwinden; sie wollen erwachsen werden. Die Belohnung einer erfolgreichen Übernahme von Verantwortung ist Anerkennung. Das Scheitern in der Verantwortung bringt häufig Missachtung oder Sanktionen mit sich.

 

Drei „Merkwürdige Phänomene“ der Verantwortung

 

Im Einführungsvortrag hat Prof Dr. Hofmann von drei Aspekte berichtet, die er „Merkwürdige Phänomene“ nannte – und dem Publikum vor Augen führte:

 

1.      In der politischen Landschaft gibt es die Formulierung „Übernehmen Sie Verantwortung und treten Sie zurück!“ Diese Aufforderung ist paradox, weil die betreffende Person mit dem Rücktritt aus der Führungsposition verdrängt wird und damit auch aus der Verantwortung heraus tritt. Hier wird offenbar der Begriff der Verantwortung in einem falschen Kontext gebraucht.

 

2.      Es ist eine sich immer weiter ausbreitende „Scheu vor der Verantwortung“ zu beobachten. Zur Veranschaulichung zeigte Prof.  Dr. Hofmann eine Karte von Deutschland, auf der das Verschwinden von Vereinen visualisiert war. Der überwiegende Teil der Vereine sind deshalb aufgelöst worden, weil sich niemand mehr findet, der Führungsverantwortung im Ehrenamt z. B. als Vorsitzender, Kassenwart, etc. übernimmt. Nicht nur die Vereinsarbeit leidet unter diesem Phänomen, sondern Ehrenämter aller Art.

 

3.      Unter der Überschrift „Verantwortung und Tautologie“ wird das dritte Phänomen – die überflüssige Übernahme einer Verantwortung dargestellt. Am Beispiel überflüssiger Verkehrsschilder, die die Verkehrsteilnehmenden vor völlig offensichtlichen Dingen warnen, lässt sich erkennen, dass Mitmenschen ihre Fähigkeit zur Verantwortung abgesprochen werden kann. Dies bedeutet letztendlich eine Geringschätzung der eigenen Vernunft und Verantwortungsfähigkeit der Mitmenschen.

 

Ein einfaches Referenzmodell

 

Prof Dr. Hofmann stellte ein einfaches Referenzmodell vor, nach diesem ist Verantwortung im Zusammenspiel von drei Entitäten zu sehen: Dem Subjekt (wer nimmt Verantwortung wahr), dem Objekt (wofür wird Verantwortung wahrgenommen) und der Autorität (wer ist die Instanz, an die Bericht erstattet wird).

 

Das Subjekt kann Individuen, Gruppen, Institutionen oder die gesamte Gesellschaft umfassen. Das Subjekt muss  aus freiem Willen aktiv handeln. Die Frage nach der Identität des Subjekts ist für die Verantwortung zentral. Anonymem Handeln, dem Handeln unbestimmter Gruppen, von Tieren oder Automaten lässt sich keine Verantwortung zuschreiben.

 

Das Objekt – für das Verantwortung übernommen wird – kann ein einzelner Mensch, Gruppen, Natur, Umwelt, Pflanzen und Tiere oder Technik sein. Zu Schwierigkeiten kommt es vor allem durch die Komplexität und die Kompliziertheit der Objekte.

 

Die Autorität, gegenüber der Bericht erstattet wird, kann eine einzelne Person, Gruppen, der Staat oder auch eine religiöse Lehre sein. Spannend ist hier die Legitimation – die irdische oder jenseitige Macht oder ein Mandat, die die Rechtfertigung der Verantwortung liefert. Es kann jedoch auch zur Usurpation, also die ungerechtfertigte Anmaßung der Verantwortung oder Bevormundung, kommen.

 

Anhand eines Beispiels – dem Bild eines im Einsatz befindlichen Rettungshubschraubers – wurde gezeigt, dass sich Verantwortungs-Subjekt, -Objekt und -Autorität in einem komplexen Geflecht von Verantwortungsstrukturen positionieren. Die macht deutlich, dass die einfachen landläufigen Vokabeln „verantwortungsbewusst“ und „verantwortungsgerecht“ durchaus nichttrivialer Natur sind und durchaus eine differenzierte Erörterung verdient haben.

 

Ausblick auf den weiteren Verlauf der Ringvorlesung

 

Im weiteren Verlauf der Ringvorlesung wird die Frage nach der Verantwortung in unserer Gesellschaft gestellt. Dazu werden Dozierende auftreten, die über Verantwortung und damit verbundene Herausforderungen in ihren Berufen und Fachgebieten reden und so das Themenspektrum auf unterschiedliche Weise beleuchten.

 

Einen Überblick über alle Vorträge der Ringvorlesung und einen Link zur Anmeldung findet man auf der Webseite www.mainproject.eu/ringvorlesung/